„Was zur Hölle ist mit dir geschehen?“
Iliana
hielt den Atem an. Teshin und die Dämonin musterten sich
gegenseitig, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Stille kehrte
ein. Allein das Zischen der giftigen Flüssigkeit in Sitraxas Narben
erfüllte die Luft.
Im
nächsten Moment erklang ein Klirren wie von einer zerbrechenden
Vase. Ilianas Blick flog zum Eingangstor. Das blutrote Siegel
verschwand langsam. Sitraxas Zauber verlor seine Wirkung.
Einen
Augenblick später wurde die Tür aus den Angeln gehoben. Funken
stoben, als Halgin und Esben in den Raum stürzten.
Sitraxas
Züge verzerrten sich zu einer animalischen Maske aus Wut und sie
deutete stumm auf den gefiederten König. Erneut schoss eine
Feuersäule empor, der Halgin jedoch elegant auswich. Teshin hob
Murakama und hüllte sich in rotes Licht, doch Sitraxa bedrängte ihn
mit einer Druckwelle. Die Wucht des Angriffs schleuderte selbst
Iliana schmerzvoll zu Boden, Teshin jedoch hielt diesmal stand.
Ehe er
jedoch reagieren konnte, schlug Esben sein Buch auf und sprach ein
Wort der Macht.
Es war
ein gedehnter Laut, der wie ein Lockruf Ilianas Ohren umschmeichelte.
Beinahe verspürte sie das Bedürfnis, sich dem großen Folianten zu
nähern. Im nächsten Moment stand sie bereits auf beiden Beinen und
trat auf Esben zu. Der Schmerz des Sturzes versank in einem warmen
Sumpf.
Sitraxa
traf der Zauber härter. Sie kroch mit wild rudernden Armen und einem
wahnsinnigen Grinsen im Gesicht zu Esben. Kaum hatte sie ihn
erreicht, erhob sich ein Sturm aus Magie, der die Dämonin regelrecht
in die vergilbten Seiten saugte. Grelles rotes Licht erhellte den
Raum. Iliana musste geblendet die Augen schließen. Im nächsten
Moment war es vorbei. Auf den leeren Seiten befand sich nun eine
realistische Illustration der Dämonin, sowie alte Schriftzeichen,
die Iliana nicht lesen konnte.
Stille
legte sich über sie wie ein dunkles Tuch. Kurz tauschten die vier
Blicke miteinander aus, dann holte der Schock Iliana mit voller Wucht
ein. Ihre Knie gaben nach und sie sank entkräftet zu Boden. Ein
Tränenschleier legte sich über ihre Augen.
Teshins
Stimme klang schwach, als er das Wort ergriff. „Tja“, stieß er
heiser hervor. „Danke.“
Dann
kollabierte er.
Halgin
stieß ein überraschtes Krächzen aus und Esben ließ beinahe das
schwere Buch fallen. Iliana musterte Teshin schockiert. Erst jetzt
bemerkte sie seine Wunden.
Durch
die rote Aura seiner verstärkten Magie hatte sie das viele Blut
nicht gesehen. Aus seinen Armen, seinen Beinen und sogar aus der
Platzwunde an seinem Kopf sickerte beständig das Leben.
Halgin
eilte sofort an seine Seite. Grünes Licht erfüllte das dunkle
Verlies, als der König einen Heilzauber wirkte.
„Heilen
könnt Ihr auch noch?“, fragte Teshin leise. Der Ton seiner Stimme
erschreckte Iliana mehr als seine ermatteten Gesichtszüge.
Halgin
nickte langsam. „Du hast viel Blut verloren“, krächzte er
schließlich. „Hat diese Dämonin dir so sehr zugesetzt?“
„Nicht
nur.“ Ein Hustenanfall schüttelte Teshin. „Aber das habt Ihr mit
Sicherheit schon bemerkt. Das rote Licht schlägt nicht nur dem Feind
Wunden.“
Iliana
sah die beiden überrascht an. Wovon sprachen sie?
Halgin
blieb ihre Verwirrung nicht verborgen. „Während wir das Siegel zu
brechen versuchten, nahmen wir den Kampf wahr. Eine kleine blaue
Flamme gegen eine gewaltige rote. Als die blaue Flamme beinahe
erloschen war, verwandelte sie sich in einen ebenfalls roten
Feuersturm.“ Halgin legte eine Pause ein. „Ich habe dich stets
unter Vorbehalt Angnaur genannt, doch nun bin ich mir sicher.
Du bist ein Dämon, richtig?“
Iliana
erstarrte. Sie wollte daran nicht glauben, obwohl sich die Vermutung
nahezu aufdrängte. Auch wenn sie Teshin für den Wahnsinn hasste,
den er in ihr Bewusstsein pflanzte, sah sie ihn dennoch als Menschen.
Obwohl – oder gerade weil – er ihren Wunsch nach Rache verkörperte.
Teshin
seufzte geschlagen. „Die Hinweise waren zu zahlreich, nicht wahr?“
Halgin
nickte. „Du entstammst einem adeligen Haus, dessen
Familienoberhaupt sich mutig opferte, um den Kult des Irodeus zu
zerschlagen. Du bist der Sohn von Arion Heilsbringer, nicht wahr? Der
mächtige Ritter, der die Klinge Megingjormar besaß und hinterrücks
ermordet wurde?“
Teshin
nickte langsam.
Iliana
ertrug es nicht länger. „Aber das muss doch nichts heißen!“,
platzte sie heraus. „Spricht das nicht eher für als gegen ihn?“
Esben
schüttelte den Kopf. Halgin seufzte traurig. „Iliana, Kind, wie
alt ist Teshin deiner Schätzung nach?“
Iliana
betrachtete den Söldner kurz. „Zwanzig Jahre? Dreißig Jahre?“,
riet sie.
Ein
amüsierter Laut entfuhr Teshin.
Halgins
Augen leuchteten im grünen Licht seiner Heilmagie. „Arion
Heilsbringer starb vor über fünfzig Jahren“, erklärte er.
„Danach trat der Kult des Irodeus in die Öffentlichkeit und der
lange und verheerende Bürgerkrieg nahm seinen Lauf.“
Iliana
starrte Teshin fassungslos an. Dieser junge Mann sollte über fünfzig
sein? Teshins schmales Lächeln schien sie alle zu verspotten.
„Glückwunsch“,
sagte er heiser. „Was sonst?“
„Du
kanntest die Dämonin, richtig?“, fragte Halgin. „Ich habe
gehört, was du kurz vor Esbens Angriff gesagt hast.“
Teshin
nickte langsam. „Ich kenne sie“, erwiderte er schließlich. „Aber
nicht als Dämonin. Ich bin ihr vor langer Zeit begegnet.“
Iliana
kam ein Gedanke. „War das etwa … Saskia?“
Teshin
schüttelte den Kopf. „Nein“, flüsterte er.
Halgin
holte tief Luft, als Teshin schwieg. „Angnaur, ich weiß
nicht, wie viel Zeit dir noch bleibt. Ich denke, wir verdienen die
Wahrheit. Wer … und was … bist du wirklich?“
Teshin
lächelte. Dann begann er zu sprechen.
„Ihr habt gewonnen, Majestät. Wenn Ihr meine Vergangenheit kennt, könnt Ihr vielleicht eher herausfinden, was in den letzten Monaten tatsächlich geschehen ist. Selbst wenn ich nicht mehr erfahren werde, was mit Saskia geschehen ist…“ Er räusperte sich, was zu einem Hustenanfall führte. „Falls ich hier sterbe.“
Esben
ließ sich neben ihm nieder und sprach ein eindringliches Gebet.
Teshin
holte tief Luft, dann erzählte er seine Geschichte.
„Ich
wurde vor vierundsechzig Jahren als drittältester Sohn von Arion dem
Heilsbringer, dem Herzog von Astaval, geboren. Ich hatte zwei Brüder
und zwei Schwestern. Eine dritte wurde kurz vor Beginn des großen
Krieges geboren.“ Wieder hustete er. „Wir alle wuchsen in dem
Wissen auf, die Kinder des stärksten Mannes im Reich zu sein. Mein
Vater Arion führte die Klinge Megingjormar und man erzählte sich
zahlreiche Geschichten über ihn. Im Kampf war er wohl wirklich
nahezu unbesiegbar. Aber außerhalb des Schlachtfelds konnte er sich
kaum behaupten.“ Teshins Blick schweifte in weite Ferne. „Er war
ein guter Vater, aber immer etwas unbeholfen. Rückblickend
betrachtet denke ich, dass es ihm stets schwerfiel, die Gefühle
anderer einzuschätzen. Ebenso war er ein schlechter Politiker. Die
staatlichen Geschäfte lagen beinahe vollständig in den Händen
unserer Mutter. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb er immer
viel von Ehre hielt und sich dem strengen Kodex der Ritterschaft
stets verpflichtet fühlte. Er war für ihn eine Art Anleitung, wie
man sich in der Gesellschaft richtig verhalten sollte.“ An dieser
Stelle brach Teshin kurz ab. Als er weitersprach, klang seine Stimme
dünn. „Die ersten zehn Jahre meines Lebens habe ich davon nicht
viel bemerkt und verstanden. Ich war einfach stolz, so einen
ehrenhaften und starken Vater zu haben. Aber nach meinem zehnten
Geburtstag änderte sich alles.
Es
begann mit dem Einsetzen der Hexenverfolgungen. Zu jener Zeit
verwüsteten Hagelstürme das Reich, die Pest wütete unter der
einfachen Bevölkerung und der Bürgerkrieg war bereits absehbar. Die
Menschen waren verunsichert und ängstlich. Ein alter Mönch aus
Aminas lieferte ihnen einen Sündenbock für ihre missliche Lage.“
Teshin
hob eine zitternde Hand, um sich die Schläfen zu massieren. Iliana
ahnte, was als nächstes kommen würde.
„Als
die Hexenverfolgungen begannen, war mein Vater mit der Lage völlig
überfordert. Er war ein Mann des Schwertes und der Ehre. Als Feinde
konnte er sich nur gerüstete Männer oder Dämonen vorstellen, aber
keine alten Frauen und jungen Mädchen. Er verlangte eine Erklärung
von der Denomination und sie machte den Fehler, ihn aufzuklären.“
Teshin
versuchte, sich aufzusetzen, aber er sank zurück in den Staub. Das
grüne Licht schien heller zu glimmen.
„Es
gab und gibt keine Hexen. Es handelt sich nur um Aberglauben. Die
Gründung der Inquisition diente nur zur Beruhigung der Bevölkerung
und dazu, die fanatischen Hexenjäger unter Kontrolle zu haben, die
sonst ohne die leitende Hand der Geistlichkeit in den Provinzen ihr
Unwesen getrieben hätten. Leute wie Medardus werden zwar von der
Denomination mit magischen Fähigkeiten ausgestattet, aber
letztendlich ist all das nur Fassade. Die Bischöfe sehen die
Inquisitoren als notwendiges Übel, um eine noch größere
Katastrophe zu verhindern.“ Teshin hustete erneut. Staub wirbelte
um ihn herum. „An diesem falschen Spiel zerbrach mein Vater. Er
konnte mit dieser Information einfach nicht umgehen. Uns Kindern fiel
natürlich auch auf, dass unser sonst so netter Vater mit etwas
haderte. Das war das erste Anzeichen, dass die glücklichen Tage zu
Ende gingen.
Eines
Tages kam dann ein Mann zu uns. Er war alt und blind und verlangte,
unseren Vater zu sprechen. Heute weiß ich, dass er ein Bote des
Dämons Irodeus war.“
Teshin
hustete bei der Erinnerung. Ein Schauer ließ ihn erzittern. „Irodeus
machte unserem Vater das Angebot, alle Menschen in seinem Herzogtum
zu beschützen, Hexenverfolgungen zu verhindern und sogar die Seuchen
und Stürme zu beenden. Als Gegenleistung musste er dem Dämon zwei
seiner Kinder weihen. Eines, das bereits am Leben war, eines noch im
Mutterleib.“
Iliana
starrte den Söldner fassungslos an. Sie ahnte, in welche Richtung
die Erzählung ging. „Ich weiß nicht, wie er meinen Vater
überredete oder wieso seine Wahl auf mich fiel“, flüsterte
Teshin. „Wie auch immer, ich wurde umgetauft und dem Dämon
geweiht. Seither trage ich einen dunklen Namen. Deshalb wollte ich
den Lehenseid nicht schwören.“ Halgin nickte mit betrübtem Blick.
Teshin hustete. „Ich werde es auch jetzt nicht tun. An einem Ort
wie Hornheim wirkt mein Name wie ein Wort der Macht. Wenn wir also
nicht sämtliche Dämonen im Umkreis von hundert Meilen auf uns
aufmerksam machen wollen, lassen wir es lieber.“ Er hustete. Blut
spritzte aus seinem Mundwinkel. Halgin verkrampfte sich und das grüne
Licht erstrahlte noch heller.
„Bis
zu meinem vierzehnten Lebensjahr blieb unser Land tatsächlich
größtenteils von den Katastrophen verschont. Die Pest ging zurück,
Ernteausfälle wurden weniger und sogar die Hexenprozesse fanden kaum
noch statt. Dennoch war der Preis furchtbar. Mein Vater musste eine
eigene Kultstätte errichten, Gläubige einweisen und dem
Dämonenkönig huldigen.“ Teshin wandte den Blick ab. „Als der
Kult immer weiter wuchs und Irodeus ein Menschenopfer verlangte,
ertrug er es nicht länger. Er leistete Abbitte bei der Denomination
und brach den Vertrag.“ Kurz legte sich Schweigen über sie, bevor
Teshin mit zitternder Stimme weitersprach. „Heute wird berichtet,
dass die Kultisten meine Familie ermordet haben. Das ist falsch.
Tempelsöhne haben unsere Burg gestürmt. Meine beiden älteren
Brüder stellten sich ihnen allein entgegen, sodass ich mit meiner
neugeborenen Schwester entkommen konnte. Sie war das zweite Kind, das
Irodeus geweiht wurde.
Mein
Vater hatte Vorkehrungen getroffen. Ich traf einen alten Fischer, der
mich zu ihm und meine Schwester in Sicherheit bringen sollte. Der
Fischer meinte nur, dass mein Vater mir alles erklären würde und
ließ mich ahnungslos zurück, während er mit meiner Schwester ins
Ungewisse fuhr . Mein Vater erklärte mir nichts mehr. Ein Meuchler
der Denomination tötete ihn, bevor ich ihn erreichen konnte.
Natürlich wurde die Tat den Kultisten in die Schuhe geschoben. Die
Denomination erfand die Geschichte von ihm als Agenten und rettete
damit seine Ehre. Seine Familie aber schlachtete sie ab.“
Wut
schlich sich in Teshins Stimme.
„Nach
Vaters Tod hörte ich, dass mein Bruder Seimos überlebt und
Verbündete um sich geschart hatte. Er fiel drei Wochen später auf
dem Schlachtfeld, aber diese kurze Zeit reichte ihm, um einen
Bürgerkrieg auszulösen. Irodeus’ Segen war verschwunden und die
gesamte Wut entlud sich. Und ich … ich war allein, meine
Geschwister alle verschollen oder tot. Also verdingte ich mich als
Söldner, gab Personenschutz oder half Menschen in Not. So kam ich
auch zu … ihr.“
Teshin
deutete auf die Überreste von Sitraxas entsetzlichem Spinnenleib.
„Sie
war das schönste Mädchen im ganzen Dorf. Ihr Vater beauftragte mich
für ein ganzes Jahr, den Frauen beim Wasserholen Begleitschutz zu
geben. So lernten wir uns kennen.“ Ein Lächeln schlich sich auf
Teshins Gesicht. Seine glasigen Augen blitzten hell. „Ihr Name war
Silena. Ich verliebte mich Hals über Kopf in sie und alles wäre
vielleicht gut gelaufen … aber eines Tages kam das Heer des Fürsten
von Aminas und schlug in der Nähe das Lager auf. Die Soldaten
verlangten die Herausgabe der gesamten Ernte von den Dorfbewohnern.
Natürlich konnten sie nicht einwilligen. Wovon hätten sie sonst
gelebt? Die Soldaten gaben den Dörflern einen Tag Zeit. Sollten sie
sich danach immer noch weigern, würden sie sich einfach gewaltsam
nehmen, was sie wollten.
Ich
wusste, dass wir keine Chance hatten. Ich überlegte gerade, zu
fliehen, als mir der alte Mann erschien.“
Mit
einem Mal schien es im Raum kälter zu werden. Teshin hustete erneut.
Diesmal dauerte es länger, bis er wieder sprechen konnte.
„Er
erzählte mir alles über meinen Vater und über meine Weihung. Durch
Irodeus’ Segen würde ich nur langsam altern und viele Jahre leben.
Er redete mir ein, dass der Dämon mir schon viele Gefallen getan
hätte und bot mir daraufhin einen Vertrag an. Damals war ich
verzweifelt genug, das Angebot anzunehmen. Der Kontrakt ist immer
noch in Kraft. Ich erlangte dadurch nicht nur starke Magie, sondern
bekam auch drei Wünsche freigestellt. Meinen ersten Wunsch
verwendete ich, um das Dorf zu beschützen. In jener Nacht entstieg
Irodeus höchstselbst der Finsternis und am nächsten Morgen waren
sämtliche Soldaten verschwunden.“ Teshin atmete schwer. „Aber
Irodeus erfüllt keine Wünsche ohne Gegenleistung. Für die Leben
der Soldaten holte er sich Silena. Ich habe jahrelang nach ihr
gesucht und schließlich aufgegeben, aber ich habe mich immer
gefragt, was wohl aus ihr geworden ist.“ Eine Träne löste sich
aus seinen Augenwinkeln. „Nun weiß ich es.“
„Meine
Informationen unterstreichen das.“ Esben deutete auf Sitraxas Seite
im Buch. „Sitraxa ist eine alte Dämonin, die schon in Texten vor
Esbens Kirchbau erwähnt wird. Man erzählt sich, dass sie ihre Opfer
langsam auffrisst und sich ihre Seelen einverleibt. Gefällt ihr ein
Mensch besonders gut, verschmilzt sie mit seinem Körper. Das dürfte
hier geschehen sein.“ Esbens Gesicht verzerrte sich zu einer Maske
der Abscheu.
„Das
hat sie nicht verdient“, murmelte Teshin schwach. „Sie war so
nett zu mir und ich … ich habe sie einfach geopfert.“ Seine
Stimme brach. „Nicht einmal Saskia habe ich so vieles von meinem
Leben erzählt“, sagte er schließlich leise.
Iliana
konnte Silenas Schicksal kaum erfassen. Sitraxa hatte sie wenige
Sekunden lang mit einem Zauber gefoltert und sie auf diese Weise an
den Rand des Wahnsinns gestoßen. Sie wagte nicht, sich eine solche
Behandlung über Stunden hinweg auch nur ansatzweise vorzustellen.
Halgin
wirkte nicht minder schockiert. Doch er errang seine Fassung bald
wieder. „Du sprachst von drei Wünschen. Was ist mit den anderen
zweien?“
Teshin
schüttelte den Kopf. „Ich habe sie nicht eingesetzt. Ich wollte
danach mit Irodeus nichts mehr zu tun haben.“
„Irrtum.“
Die
Stimme klang sanft und jung. Sie umschmeichelte Ilianas Ohren und
nahm ihr jegliches Gefühl von Furcht oder Beklemmung. Dennoch fuhr
sie erschrocken herum. Hinter ihnen stand ein junges Mädchen, kaum
älter als sie. Es trug ein schlichtes schwarzes Kleid und eine Art
metallenes Halsband. Rote Augen stachen ins Halbdunkel des Raums und
zwei gekrümmte Hörner durchstießen die glatten Haare. Ebenso hatte
Teshin den Dämonen in der verfluchten Kirche beschrieben.
Iliana
wollte zum Bogen greifen, aber etwas im Blick des Mädchens hielt sie
davon ab. Darin lag ein schelmisches Funkeln von kindlichem Trotz,
ungelenk verborgen hinter einer kalten Fassade von erwachsener
Erhabenheit.
Das
Mädchen deutete auf Teshin und sprach ein Wort der Macht. Rotes
Licht erhellte den Raum und Teshin stand.
Er
stand auf beiden Beinen, vollständig geheilt und wiederhergestellt.
„Wenn
du Antworten willst, musst du in meine Halle kommen“, forderte das
Mädchen leise. „Dort, und nur dort, werden deine Fragen
beantwortet.“
Und
während Teshin noch verdutzt seine unverletzten Gliedmaßen
betrachtete, verschwand das Mädchen in einer Wolke schwarzen Nebels.