Ich, Mensch: Worte gegen Ableismus, Frei!Geist Autorenverlag
92 Seiten
Druckbuch 9,- EUR, nicht als ebook erhältlich
ISBN 978-3-756-521-23-4
Erschienen am 10.08.2022 und erhältlich bei Amazon, Thalia, Weltbild und Hugendubel.
Ich habe den Abonennt:innen, die meinem eigenen Blog folgen, neulich schon das Cover gezeigt, als ich von einer Worcation an der Ostsee berichtete.
Mein erster Text, der in einem Verlagsbuch erscheint! Ich bin stolz auf mich, aber ebenso auf die anderen. Und ich habe sogar eine Kollegin vom BVjA-Stammtisch, Elke Jan, „wiedergetroffen“ die einen tollen Krimi beigesteuert hat. Sie ist unter anderem auch Sensitivityreaderin.
Heute will ich euch aber das Buch näher vorstellen.
Klappentext:
16 Autorinnen und Autoren, 17 Texte zum Thema Behinderung und Ableismus in Deutschland, aus ganz persönlicher Perspektive. Gedicht und Kurzgeschichte, Essay und Bericht: In so vielfältigen wie originellen Formen kommen hier diejenigen zu Wort, die in der öffentlichen Debatte immer noch viel zu oft ausgeschlossen bleiben. Die Hürden im Alltag einer Rollstuhlfahrerin, der tägliche Kampf blinder Menschen oder das Unverständnis, das geistig Beeinträchtigten entgegen schlägt: Die Beitragenden in diesem Sammelband, der aus einem Schreibaufruf des Autorenkollektivs Frei!Geist hervorging, bieten bunte, kluge, anspruchsvolle Kommentare aus ganz verschiedenen Blickwinkeln zu einem Thema, das leider immer noch brandaktuell ist.
Gesamteindruck
Ich war etwas überrascht, wie dünn sich das Buch anfühlt. Aber 92 Seiten sind eben nicht viel im Vergleich zu den für einen Roman typischen Umfang von 300 Seiten oder mehr. Das tut der Qualität der Texte, die mich allesamt sehr berührt haben, jedoch keinen Abbruch.
Zu den einzelnen Texten
Ingo S. Anders – Störungen im Betriebsablauf oder Unplanmäßige Verkehrsbehinderungen
Meine eigene Geschichte trägt einen etwas sperrigen Titel. Natürlich rezensiere ich mich nicht selbst, aber ich zeige euch die erste Seite als Leseprobe. Einfach nicht weiterlesen, wenn ihr bzgl. der Inhalte der anderen Geschichten nicht gespoilert werden wollt.
Michael Georg Bregel – Ohne Worte
Die Protagonistin in Michaels Geschichte möchte die Gebärdensprache erlernen. Doch Körpersprache und Mimik sind ihr ein Rätsel.
Ich konnte mich auf Anhieb sehr in sie einfühlen, weil auch ich Berührungen Fremder als unangenehm empfinde, autistische Züge habe. Auch ich habe Situationen erlebt, in denen ich mich nicht ausdrücken konnte, Situationen, in denen ich mich unverstanden fühlte. Am Ende empfand ich Genugtuung für die Protagonistin.
Ingo Cesaro – Eine Korrespondenz eröffnen
In der Geschichte meines Namensvetters wird ein erwachsener Mann von seiner Mama in einem „Kinderwagen“, in dem er „in Fahrtrichtung sitzt“ überallhin geschoben und fühlt sich als eine Last für sie.
Mich hat diese Geschichte sehr traurig gemacht und die geschilderten Erlebnisse fand ich schon harten Tobak. Der leichte Hoffnungsschimmer nahm mir etwas von der geteilten Last.
Michael Christopher – Ein Schauspiel
Ein Date mit ungeahntem Ausgang, straight. Mehr sage ich mal nicht. Genießt sie! 😉
Hat mir gut gefallen und mich trotz allem Kopfschütteln zum Schmunzeln gebracht. 😀 Wollte man nölen, könnte man sich über ein absehbares Ende beklagen – aber bitte, das muss doch so! Genau das wollte ich lesen.
Gazang Esmahil – Auflaufsuppe
Lyrik, freie Form. Worte, die treffen.
Lyrik ist sonst nicht so meins, aber ich mags. 🙂
David Jacobs – Martin und die Dinge
Davids Geschichte habe ich sehr gemocht und Martin hat mich ein wenig an Benni erinnert, obwohl er ein ganz anderer Mensch ist mit eigenen Vorlieben ist. Martin sammelt rote Dinge.
Diese Geschichte ist so süß und liebevoll geschrieben! Das Ende fand ich herzzerreißend.
Elke Jan – Geschmack der Dunkelheit
Elke entführt uns in ein Dunkelrestaurant … Also ich glaube, für mich wäre das nichts. Ich glaube, das schmeckt mir nicht. 😉
Die Geschichte dagegen hat mir vorzüglich gemundet. Kann ich nur empfehlen!
Simone Kehrberg – Alles inklusiv
Simone thematisiert Kindergarten und Schule. Eine Zeit, an die ich nicht gern zurückdenke.
Beim Lesen war ich das kleine Mädchen. Auch wenn ich nicht diese Einschränkungen hatte, ich konnte mich sehr gut in diese Situation hineinversetzen. Jetzt frage ich mich: Wem ist damit geholfen, wenn Kinder mit Einschränkungen in dieselbe Schule gehen wie Kinder ohne spezielle Bedarfe und an alle dieselben Anforderungen gestellt werden? Oder, vermutlich besser formuliert: Warum werden alle Kinder über einen Kamm geschoren? Es hat doch jedes Kind individuelle Bedürfnisse. In Klassen mit 35 Kindern kann kein Lehrer auf alle einzeln eingehen. Die Antwort wird sein: Fachkräftemangel + leere Kassen. Für mich persönlich wäre Homeschooling ideal gewesen. Ich bin für ein grundsätzliches Recht zur freien Wahl auf Homeschooling, womit ich nicht sagen möchte, dass dieses Mädchen aus der Geschichte nicht in die örtliche Schule gehen darf, aber ich spüre doch, dass es sich dort unter den anderen Kindern nicht wohlfühlt.
Torsten Krippner – Nach dem Regen
Diese Geschichte ist aus der Perspektive des Vaters eines autistischen Sohnes geschrieben. Ein schöner Spaziergang in der Heide mit unschönen Erinnerungen an Erlebnisse, die leider zum Alltag gehören.
Ich bin gerne mitgegangen.
Marie Lenschow – Nicht so ganz taub
Eine lyrische Betrachtung aus zwei Perspektiven auf das akustische Verstehen.
Ein Augenöffner für mich.
Kim Ley – U~laub
Im stakkatoartigen Stil kurzer Sätze verreist Kims Protagonistin zusammen mit Älteren und erlebt sich im Vergleich als weniger fitten Turnschuh. Schmerzmittel hier, PMR da ist nicht für alle Reisenden an der Tagesordnung.
Am Anfang konnte ich mich gut in die Figur reinversetzen. Zipperlein kommen eben nicht erst mit dem Alter. Den Dialog kann ich leider nicht so recht einordnen.
Britta Merkle-Lücke – Wo bitte ist „da oben“?
Britta nimmt uns mit in ihren Alltag. Ein Praxisbesuch, Schuhe kaufen. Und sie verrät auch, wie sie als blinde Frau überhaupt diese Geschichte schreiben konnte.
Das war sehr interessant für mich und ich habe viel gelernt. Danke dafür!
Dörte Schmidt – Annäherung
Jonas hat Schwierigkeiten, die Redeverwendungen zu verstehen, die auch Paula verwendet und auch Ironie hat ihre Tücken …
Das hat mich an meine eigenen Probleme damit erinnert, „immer alles für bare Münze zu nehmen“. Auch das ist ja eine Redewendung. Aber die kann man pauken oder bei Bedarf nachschlagen. Ironie erkenne ich heute noch nicht in allen Fällen und das wird sich wohl auch nie ändern. Die Geschichte gefällt mir sehr gut, weil sie die Problematik nachdrücklich und auch für Nichtbetroffene nachvollziehbar schildert.
Christiane Schwarze – Analyse eines Schweigens
Eine Frau schweigt beharrlich. Was hat das zu bedeuten?
Richtig böses Ende, das ich nicht vorwegnehme. Genau solches kam mir auch schon in den Sinn.
Dirk Tilsner – Frühstück mit B.
Dirk bringt eine weitere Angehörigenperspektive ein.
Aus meiner Sicht steckt in diesen Zeilen sehr viel Liebe.
Andy Wirsz – Ich, kaputter Mensch
Andy erzählt, was ein einziger Satz eines Nachbarkindes mit ihm machte.
Und er bringt gut auf den Punkt, warum er an dieser Anthologie mitgewirkt hat: Damit solche Sätze künftig nicht mehr fallen. Dem kann ich mich nur anschließen.
Andy Wirsz – Vergessen
Lyrik.
Sehr schön. Vergesse ich nicht so schnell.
Euer Ingo S. Anders
Mein Blog. Folgt mir auch auf Instagram!
Hallo Ingo S.Anders,
Das schlichte Cover und der Titel gefallen mir auf Anhieb. Mit dem Begriff Ableismus habe ich mich bisher nicht auseinandergesetzt, kannte den Begriff nicht und erst recht nicht dessen Bedeutung. Vermutlich kommt das auch daher, da ich Menschen nicht anhand ihrer Fähigkeiten beurteile oder gar verurteile.
Ich finde es gut und richtig, dass der Leser, nicht nur durch dieses Buch, sondern auch durch weitere Medien erfährt, was es eigentlich mit Menschen macht, die physisch oder psychisch andere Merkmale aufweisen als vermeintlich „normale“. Hier stellt sich für mich jeden Tag die Frage nach dem – was ist eigentlich normal?
Normal ist nämlich aus der Sicht JEDEN einzelnen Geschöpfs etwas ganz anderes. Darum ist alles normal und nicht – der oder die sind nicht normal. Wer erlaubt sich bitte das beurteilen zu können und beurteilen zu dürfen?
Ich freue mich, dass Du die Rezension hier in der Schreibkommune gepostet hast und werde mir ein Exemplar bestellen.
Du hättest sicher noch ein paar Details posten können, allerdings ist das halb so schlimm, ich finde das Buch schon 😉
Alles in allem freue ich mich demnächst das Buch selbst lesen zu können.
Liebe Grüße
Andi
Hallo Andre,
das freut mich, dass ich Dir mit meiner Rezension einen guten Eindruck von dem Buch vermitteln konnte.
„Normal“ ist das, was der Mehrheit folgend zur „Norm“ gemacht oder als solche angenommen wird. Im Zweifel geht man dabei immer von sich aus. 😉
Lieben Gruß hinterherschmeiße!
Hallo Ingo,
Die Shopseite kannst du verlinken dann aber bitte mit Werbehinweis.
Ansonsten dachte ich an Preisangaben obs ein EBOOK gibt oder eines geplant ist. So in der Art.
Du hast natürlich recht Buchandel würde ich es auch suchen.
Liebe Grüße
Andi