Für mich ist trans* immer so der Überbegriff für alles, das irgendwie mit Transsexualität, Transidentität, Transgender, Transition, trans Männern, trans Frauen, trans Menschen überhaupt zu tun hat. (Für mich persönlich bevorzuge ich eigentlich die Schreibweise Transmann, Transleute usw. aber seit meiner aktiven Zeit hat die mehrheitlich bevorzugte sich verändert.)
Plump gesagt sind trans Leute dabei diejenigen, die irgendwelche geschlechtsangleichenden Maßnahmen machen (dazu gehören auch enbys), um sich irgendwie auf den Weg zu machen, Mediziner unterscheiden da gerne zwischen MzF und FzM, um uns und die richtige Behandlung nicht zu verwechseln. 😀
Persönliche Erfahrungen
Ich bin also ein Transmann, ich habe meine Geschlechtsangleichung hinter mir. Für mich stand es immer fest, dass es (für mich) nur zwei Geschlechter gibt, auch wenn ich gendertheoretischen Modellen, die Geschlecht auf einer Skala von männlich zu weiblich (x-Achse) und agender zu androgyn (y-Achse) sehen. Ich bin da dann so bei etwa 80% männlich, je nach Tagesform (rasiert, unrasiert, Kleidungswahl, ..), ein Stück unterhalb der x-Achse. 😀
Vielleicht kommt von mir eines Tages noch ein Buch von mir über meinen Transweg, aber so als kurze Zusammenfassung, was man zu meiner Zeit über sich ergehen lassen musste:
- Inting (Klärung der eigenen Geschlechtsidentität, nachdem man herausgefunden hat, dass es trans* gibt)
- Entdeckung vieler Möglichkeiten, Entscheidungen treffen, welche Maßnahmen die richtigen sind, mit denen man leben können muss
- Outing, im Freundeskreis, bei der Familie, beim Arbeitsplatz, bei Behörden, Ämtern – ja, schlichtweg allen Kontaktpersonen, spätestens im Zuge der Namensänderung
- Psychotherapeuten suchen, da die Krankenkasse 18 Monate Therapie vorschreibt
- Endokrinologen suchen und sich beraten lassen
- Operateure suchen und sich beraten lassen, sich das Gespräch quittieren lassen für den MDK
- Gutachter suchen, die das Go für die Namensänderung bei Gericht geben
- Vornamens- und Personenstandsänderung beim Gericht beantragen
- fast Verzweifeln über die Warterei
Ich hasse Warten!
- Freude über das erste positive Gutachten
- endlich die Indikation für Testo erhalten
- ständig wechselndes Passing, mal so, mal so angesprochen – furchtbar!
- jetzt erst recht verzweifelndes Warten, da behaart, aber noch Brüste
- endlich das zweite Gutachten des trödelnden Kollegen
- kurz mit dem Richter schnacken, der ist eigentlich ganz nett
- das Urteil der Vornamensänderung überall vorlegen, wo der Name geändert werden soll (also ÜBERALL), neuer Perso, neuer Führerschein, Zeugnisse umschreiben, und, und, und
- die restliche Zeit der Pflichttherapie mit dem Therapeuten absitzen und über schwule Geschichte debattieren
- endlich das erlösende Schreiben von der Krankenkasse erhalten, die die Kostenübernahme für die OP zusagt
- rasch überdenken, ob die beauftragte OP so durchgeführt werden soll, da sich das Gesetz geändert hat und Fortpflanzungsunfähigkeit jetzt keine Voraussetzung für die Personenstandsänderung mehr ist
- doch Bammel vor der OP haben und letzte Zweifel beiseite wischen
- sich einen Wolf freuen über die wunderschöne flache Brust
Ich bereue es keine Sekunde, aber manchmal holen mich leise Zweifel ein, wenn ich mit Folgen zu tun habe, die sich durch die Hormonersatztherapie zwangsläufig ergeben.
Nicht-binäre Personen habe ich auch in meinem engeren Umfeld, aber hier schreibe ich über mich.
Umgang damit in meinen Geschichten
Nun, ich brauche wohl nicht lange erklären, dass mich das Thema trans* unheimlich geprägt hat und sich unweigerlich sehr häufig in meinen Texten wiederfindet. Das Projekt Schwuppenplanschen war ein Versuch, das Leben als trans* auch als angenehm und nicht immer nur problembehaftet zu zeigen. Ich will damit eine Geschichte schaffen, deren Figuren Menschen durch ihre Transition begleiten kann. So wirklich seichte Unterhaltung liegt mir wohl nicht. Ich widme mich darin vor allem der Frage der Partnersuche, weil viele trans* damit Schwierigkeiten haben. Besonders wenn die Genitalien nicht so sind, wie man es beim ersten Anblick einer Person erwarten würde, kann dies eine Hürde sein, denn bei intimen Beziehungen spielen sie ja eine nicht unwesentliche Rolle.
Dennis ist darin der schüchterne Typ, der große Angst hat, abgelehnt zu werden. Rasheeda ist so taff, sie hätte keine Probleme, mit der Tür ins Haus zu fallen – aber sie sieht es aus Prinzip nicht ein. Sie will keinen Trannychaser, sondern einen Menschen, der sie um ihrer selbst willen liebt.
Eine nicht-binäre Person habe ich bisher nur in einer Nebenrolle, aber die Geschichte ist auch noch nicht ganz ausgereift. Es kann sein, dass ich sie streiche, richtig ausbaue oder ihr sogar eine eigene Geschichte widme.
Ein Quoten-enby finde ich eigentlich blöd, genauso wie Queerbaiting überhaupt doof ist. Widmet euch dem Thema also richtig oder gar nicht. So halte ich es auch.
Vorsicht mit Geschlechtsstereotypen!
Ich achte bei meinen Figuren darauf, sie nicht zu klischeehaft darzustellen. Also meine Transmänner dürfen auch mal mit Puppen gespielt haben, sich auch mal geschminkt haben. Ausgeprägte „Mädchen“-Phasen sind nämlich bei Transmännern auch gar nicht so untypisch aus dem verzweifelten Versuch heraus, sich in die von außen zugeschriebene Geschlechtsrolle zu fügen.
Meine Transfrauen haben nicht alle grottenschlechtes Passing und sie benehmen sich auch nicht zwangsläufig stutenbissig. Es gibt immer solche und solche. Menschen sind eben verschieden.
Nicht-binäre Personen stelle ich durch Verwendung spezieller Pronomen dar. Die müssen gar nicht unbedingt ausgefallen sein, manche mögen auch „es“, anderen ist es völlig egal, die einen lassen nur ihren Namen zu und dann gibt es natürlich die ganz modernen, erfundenen Pronomen (xier, sier, er_sie, …). Wichtig ist, dass es zur Figur passt und sie nicht verunglimpft.
Wenn ich Cismenschen erfinde, dann bin ich natürlich auch dabei durch trans* beeinflusst. Es kann also gut sein, dass ich mal beim Aufweichen der Geschlechtsrollen über die Strenge schlage. Mir wurde zu einer Frau gesagt, sie habe auffallend viele männliche Züge. Ich wollte sie eben nicht zu typisch feminin gestalten. Die explizit unrasierten Beine, die habe ich dann doch wieder gestrichen.
Unsensible Fragen, die trans* leider gestellt werden
Fragen zur Sexualität. Menschen, die überhaupt nicht vorhaben, mit mir intim zu werden (Kollegen am Arbeitsplatz oder auch der eine meiner Gutachter damals) fragen mich nach einem Outing plötzlich, wie ich Sex habe. Dem Gutachter musste ich offenbaren, welche Rolle ich einnehme, ob und welche Toys bei welchen Praktiken verwendet werden. Hallo?! Nur weil irgendein Döspaddel die – zum Glück inzwischen zugunsten von „Geschlechtsdysphorie“ abgeschaffte – Diagnose damals „Transsexualität“ getauft hat, hat das mit meiner Sexualität nur bedingt zu tun (es geht in der Hauptsache um die Geschlechtsidentität), aber vor allem geht das niemandem etwas an, mit dem ich mein Bett nicht teilen will.
Nicht witzig!
Es ist mir tatsächlich mal passiert, dass ich in der S-Bahn von einem Wildfremden ausgefragt wurde, bis hin zu meinen Genitalien. Das ist ein absolutes No-Go. Leider war ich damals nicht in der Lage, mich davon zu distanzieren, weil ich durch die Begutachtungen und ständigen Outings so drauf getrimmt war, mich permanent erklären und rechtfertigen zu müssen.
Ich kam in die Situation, weil ich kein gutes Passing hatte – ich sah nicht eindeutig männlich aus und diese Person hat mich direkt gefragt, ob ich „transsexuell“ sei. Das war mir höchst unangenehm, weil es etwas Intimes ist, und es wurde mir keine Wahl gelassen, mich zu offenbaren oder nicht. Ganz abgesehen davon, dass alle Mitfahrenden damit unterhalten wurden.
Auch die Frage nach dem früheren Namen wird nach einem Outing sehr oft gestellt. Warum, zum Teufel? Hilft dir das, mich besser kennenzulernen? Nein!
Wir nennen den bei der Geburt gegebenen Namen mittlerweile den Deadname.
Fragen zu Operationen toleriere ich, wenn sie mir auf Treffen von Selbsthilfegruppen oder während trans*Tagungen gestellt werden, finde sie aber auch unter trans* in einem Café oder Restaurant oder in der S-Bahn unangebracht. Solche Gespräche outen vor allen, die mithören.
In meinem Blog darüber zu berichten ist meine freie Entscheidung und damit kann ich ganz anders umgehen als mit einer Konfrontation im Real Life.
Jedes Jahr am 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homo-, Trans- und Biphobie, kurz IDAHOT. Dieses Datum hat sich etabliert als wichtigster Tag für weltweite Aktionen der LGBTI-Community. Save the date!
Der Hashtag #diverserdonnerstag wurde ins Leben gerufen von equalwritesde. Zuletzt: Own Voices
Euer Ingo S. Anders
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