LiSA – die Belletristik-KI

2019 habe ich zum ersten Mal von LiSA gehört und sie auch gleich getestet, hier nachzulesen. Da ich den Roman seitdem viermal überarbeitet habe und auch LiSA neue Funktionen dazubekommen hat, fand ich, dass es Zeit für ein Update wird. Deshalb biete ich euch hier eine Tour durch LiSAs Analyse meiner aktuellen WIP „Seelenschulden“.

LiSA? Who the fck is LiSA?

LiSA ist eine KI zur Analyse von belletristischen Texten und ein Angebot der Qualifiction GmbH in Hamburg, zu der auch der Kirschbuch Verlag und Booxmatch gehören. Alles weitere dazu findet ihr auf der oben verlinkten Seite. Das Ganze ist im Grunde einfach: Man nehme ein fertiges belletristisches Werk, an dem man die Urheberrechte hält, würze es mit einer saisonal variierenden Anzahl Euros (Details siehe Anbieter-Website) und lade es auf die Website hoch. Zwei bis drei Minütchen köcheln lassen, fertig ist die Analyse.

Zeig mir deinen Text und ich sage dir, was du schreibst

LiSA lässt es ruhig angehen und zeigt dir als Erstes dein Genre, falls es da Unsicherheiten geben sollte:

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Tataa! Urban Fantasy mit einem starken Romance-Subplot. Gute Arbeit, LiSA!

Horsd’œuvre: Die thematische Einordnung

Soweit, so gut. Wie ihr in dem Bild oben schon seht, verrät LiSA noch mehr über die thematische Einordnung. Den Handlungsort identifiziert sie korrekt als Schland, der Abstecher meiner Protagonistin nach Tscheljabinsk spielte nur eine untergeordnete Rolle und das Dämonenreich hat LiSA zwar erkannt, wie man an dem Warnhinweis oben drüber sieht, aber leider keine Karte dazu. (Schon okay, LiSA, hab ich auch nicht.)

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Weiter geht es mit den Top-50 Wörtern. Wer hätte gedacht, dass ich einen Hand-Fetisch habe? Offensichtlich liebe ich es, Leute etwas mit ihren Händen tun zu lassen, das bestätigt auch die Themenkonzentration auf der nächsten Seite. Dabei ist die Themenwahl, wenn ich die niedlichen Halbkreise richtig interpretiere, nicht unbedingt genretypisch. Insgesamt aber ist die Thematik sehr vertraut, vertrauter als in typischen Bestsellern, was LiSA ihrem kleinen Pfeil nach zu urteilen aber nicht dramatisch findet.

Aufgrund dieser Empfehlung von LiSA habe ich die Sache in die Hand genommen (badum-tss) und insgesamt 114 Hände aus meinem Manuskript eliminiert. Jetzt sind es nur noch 157, was auf 372 Seiten gerechnet wohl okay sein dürfte. Fraglich ist, ob ich auch mal einen Blick auf die Augen werfen sollte, oder was geschähe, wenn LiSA Schulter und Schultern zusammenzählte, wie gut stünde es dann noch um den Kopf darauf? Auch das faule schnell steht einem literarisch anspruchsvollen Werk nicht gut zu Gesicht. Hier müsste mir wohl jemand unter die Arme greifen oder in den Hintern treten, aber letzlich brauche ich mich wohl für meinen Text nicht zu schämen, denn immerhin habe ich versucht, ihn mit Magie zu füllen und er hat auch schon den einen oder die andere zu packen gewusst.

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Ich weine nicht, du weinst! – Die Sentimentanalyse

Der nächste Punkt in der Seitenleiste ist die Sentimentanalyse. Was ein Sentiment ist, erklärt LiSA im ersten Bild selbst. Kurz gesagt geht es um das Gefühl, das im Text vermittelt wird. Positive Sätze lassen die Kurve nach oben gleiten, negative nach unten. Das Ganze ergibt dann einen Anhaltspunkt dafür, wie spannend der Plot ist. Ein idealer Plot ist eine fetzige Berg- und Talfahrt, in der es abwechselnd rauf und runter geht – nicht so langsam, dass man einschläft, aber auch nicht so fix, dass einem übel wird. Hierbei bietet LiSA die Möglichkeit, Zoom und Auflösung anzupassen. Das sieht dann so aus:

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Tja … keine Ahnung, wie ich das intepretieren soll. Grundsätzlich geht es immer schön erkennbar rauf und runter, wobei Genes Besuch im Dämonenreich gegen die Ein-Drittel-Marke in der groben Auflösung der tiefste Tiefpunkt der Story ist, während in der Feinauflösung zu erkennen ist, dass es kurz vor dem Ende am dicksten reingeht, bevor wir es auf einer guten Note ausklingen lassen. Für die Interpretation dieser Kurve müsste ich mich vermutlich an eine der geschulten Lektorinnen wenden, mit denen Qualifiction zusammenarbeitet. Das werde ich vielleicht auch noch tun, es kostet allerdings ein ganzes Ende mehr als die Analyse selbst. Noch bin ich unschlüssig, ob sich die Investition lohnt.

Aber weiter im Text.

Nicht das Ende des Besens: Stil & Statistik

Was Schönes für Wort-Nerds: Jede Menge Statistiken dazu, welche Wörter und wie viele, in wie langen Sätzen und wie oft ich verwende. LiSA weiß alles darüber. Neben der Häufigkeit sämtlicher Wortarten verrät sie mir auch, dass ich Dank der mit Begeisterung eingestreuten ausländischen Schimpfwörter, Speisen und Namen eine recht hohe Vokabulardiversität und -exklusivität habe. Während LiSA Erstere durchaus zusagt, rät sie mir Zweitere zu verringern. Sicherlich ein guter Tipp, um die Story zugänglicher zu gestalten, aber wenn man einmal „Pisdabljadskoje mudajobische“ in einen Text getan hat, nimmt man es nicht wieder raus. (Außer vielleicht mein Verlagsvertrag hängt davon ab. Falls mir tatsächlich jemand einen anbieten sollte, wäre ich bereit, Opfer zu bringen.)

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Spannend auch die Aufschlüsselung der Wortarten. Während LiSA mir eine ausreichende Verwendung von Verben attestiert, dürften es ruhig ein paar mehr Substantive sein. Beides verhältnismäßig unaufregend. Spannend hingegen: Mein Hang zu Adverben. Ups, erwischt! Mit denen hab ich’s so sehr, dass selbst die Testleser:innen, die ansonsten schon mal beim Lesen die Zeit vergaßen, mich darauf hingewiesen haben. LiSA sagt: Verbessere das! Ich sage: Jawohl, m’lady!

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Guck mal wer da spricht: Figuren & Beziehungen

Wenn alles schläft und einer spricht, dann nennt man das … hoffentlich nicht eine Lesung von Seelenschulden. Während in meiner WIP eine ganze Menge Leute zu Wort kommen (zu viele, wie die Figurenkonzentration ergibt), erzählt nur eine, nämlich Gene. Seit einiger Zeit schlüsselt LiSA auch teilnehmende Charaktere nach Geschlecht auf, allerdings nur nach männlich und weiblich. Inwieweit eine binäre Aufschlüsselung der Charaktere sinnvoll oder zeitgemäß ist, darüber kann man sicher streiten. Für einfachere Gemüter wie mich war es jedenfalls ganz lustig. Zumal LiSA direkt derselbe Fehler unterlief, mit dem sich Gene seit jeher herumärgern muss: Auf den ersten Blick wird sie für einen frechen Bengel gehalten. Das Qualifiction-Team hat jedoch auf meine entsprechende Eingabe hin noch am selben Wochenende eine Korrektur vorgenommen, sodass man unten sehr schön sehen kann, dass in dieser brutalen, rasant erzählten Urban-Fantasy-Geschichte weibliche Charaktere dominieren. Fun Fact: Dadurch ist das Leserpotenzial direkt um 30% runtergegangen. Aber dazu später mehr. Hier erstmal die Bilder zum Thema:

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Sind die Haushälterin Margit, Möbelpackerkollege Hubert und der immer mal wieder erwähnte Oberst Kitlitzberger in der Figurenkonstellation Hauptpersonen? Ich denke nicht. Aber ich bin auch kein Philosoph, sondern müsste ich jetzt verschwinden. (Ihr kennt doch den blöden Witz, wo der Philosoph gefragt wird, ob er noch was trinken will, und antwortet: … ach, egal.) Trotzdem stimme ich LiSA zu, dass ich ein paar Figuren zu viel habe. So viel wie nötig und so wenig wie möglich lautet die Devise beim Schreiben. Welcher berühmte Bildhauer hat gesagt, wenn er eine Statue entwirft, nimmt er sich einen Stein und kloppt alles weg, was nicht nach seinem Motiv aussieht? Genauso läuft das beim Schreiben auch. Beziehungsweise beim Überarbeiten. Aber das ist ja auch der entscheidende Teil der Reise.

Nu aber Butter bei die Fisch: Das Leserpotenzial

Was will die eitle Autorin am Dringendsten über ihren Text wissen? Natürlich wie viele Menschen er vermutlich davon überzeugen können wird, ihn zu lesen! Hier hatte LiSA eine schöne Überraschung für mich parat. Hatte sie der 2019er-Fassung meines Romans noch ein Leserpotenzial von durchschnittlich 600, bzw. zwischen 0 und 1500 (mit 95%iger Wahrscheinlichkeit) bescheinigt, so kommt die neue Fassung auf ganze 2400 potenzielle Leser:innen, bzw. zwischen 900 und 5000. Say whaaat? Da überarbeitet man das Ding viermal und es wird tatsächlich viermal so geil? Whohoo! Das bedeutet ja, dann, wenn ich es noch zehnmal … umm, nein. Das mache ich nicht. Einmal noch höchstens. Wie kommt LiSA auf diese Zahl? KI-Magie, logischerweise. Allerdings kann man diese Zahl erheblich beeinflussen. 2400 sind es, wenn ich als Publikationsart „Selfpublishing“ auswähle, zugebe, dass ich weder ein professionelles Cover oder Lektorat, noch eine ernst zunehmende Social-Media-Präsenz habe und den Preis auf das absolute Minimum setze. Ich könnte natürlich auch anfangen, zu träumen, und als Publikationsart „Verlag“ wählen, bei Marketingmaßnahmen eine Verfilmung hinzufügen und mir vorstellen, dass Buch stünde in jeder einzelnen innerdeutschen Bahnhofsbuchhandlung. Das wäre aber zu deprimierend, denn wie mir LiSA verrät, würde der Roman selbst dann nur mit knapp 70.000 verkauften Exemplaren glänzen können.

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Aber das ist noch nicht alles! – Metadaten & Einstellungen

LiSA bietet dir auch die Möglichkeit, die Metadaten deines Werks, wie Genre, Publikationsart und Exposé anzupassen. Seit Kurzem ist noch ein besonderes Schmankerl hinzugekommen: die Freigabefunktion. Mit dieser könnt ihr die komplette Analyse mitsamt Metadaten (Hallo Exposé!) und eine frei wählbare Menge des Rohtexts kostenlos bis zu 10 Verlagen und/oder anderen Personen zur Verfügung stellen. Zu den Kooperationspartnern, die grundsätzlich bereit wären, sich eine von LiSA analysierte Fantasy-Geschichte anzugucken, gehören etwa Piper oder Carlsen. Da sitze ich nun hier, mit schweißnassen Händen. Soll ich es tun? Auf „Freigeben“ klicken und sehen, was passiert? Mehr als Nein sagen können sie nicht, oder? Aber wenn sie Nein sagen …dann war’s das. Nicht nur mit diesem Verlag, sondern auch mit der Chance, eine Agentur für diesen Roman zu finden. Was tun, sprach Zeus, die Götter sind besoffen und bekotzen den Olymp. Ich denke ich werd’s einfach machen. Wenn es keiner will, bleibt mir ja immer noch Selfpublishing.

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Fazit: Ganz schön viel Fleisch

Um die LiSA-Analyse wirklich nutzen und verstehen zu können, muss man schon eine ganze Menge übers Schreiben und Veröffentlichen wissen. So haben sich mir 2019 noch nicht so viele Dinge erschlossen wie heute und auch heute sind viele der Infos für mich eine exotische Schönheit. Wer wirklich alles aus der Analyse rausholen will, sollte vermutlich das Lektoratspaket buchen. Ich habe das zwar noch nicht getestet, aber ich kenne zumindest Juri Pavlovic gut genug, um zu wissen, dass die Infos, die man da bekommt, Hand und Fuß und Herz und Hirn haben.

Ich habe jetzt tapfer auf den Freigabe-Knopf gedrückt und harre der Dinge, die da kommen.

Schamlose Eigenwerbung: Mehr Artikel von Bess findest du auf Bessassins Blog.

Titelbild: ClarissaBell auf Pixabay

2 Replies to “LiSA – die Belletristik-KI”

  1. Hallo Bess,

    ein wirklicher toller Beitrag. Klasse recherchiert und sehr übersichtlich und griffig dargestellt. Damit kann sogar ich etwas anfangen. Es hilft nix, ich muss mir Lisa anschauen und herumtesten. Ich hoffe man kann das Programm auch mal so für den Einstieg testen. Ganz umsonst dürfte diese Zahlenschlacht nicht sein. Doch was tut man nicht alles um mal auf den vordersten Rängen der Bestsellerplätze zu landen. Vielen Dank und gerne mehr davon. Top Artikel!

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