Gefühle – zeigen und beim Leser erzeugen

Da hat mich eine kniffelige Frage erreicht, die eigentlich schon gar nicht mehr zu den Grundlagen gehört, sondern sich eher an Fortgeschrittene richtet. Ein Thema für Anfänger wäre eher »Show, don’t tell«.

Frage: Wie kann man Gefühle beim Leser erzeugen?
Zunächst möchte ich darauf eingehen, wie man Gefühle zeigt, denn beides ist nicht dasselbe. Ich kann von einer wütenden Person lesen, aber Verachtung für sie empfinden oder Mitgefühl. Wenn ich den Leser wütend machen will, zeige ich vielleicht eine hilflose Person, die zum Opfer wird.

Ich schreibe also nicht: Er war wütend. Sondern ich lasse ihn die Fäuste ballen, brüllen, Gegenstände werfen oder ihn seine Wut unterdrücken, indem er gezielt ein- und ausatmet. Und ich nutze die erlebte Rede, das heißt, ich lasse ihn in seinen Gedanken schimpfen. Wir sind wieder bei unserem Kaktusfreund Ewald und seiner Frau Christa, die im Morgenmantel in der Terrassentür steht.

Sie hatte seinen Kaktus umgebracht! Sein Begleiter seit seinem Studium! In diesem Augenblick entlud sich alles: Er warf den Gartentisch zur Seite. Sein Blick fiel wieder auf die Gartenschere. Er packte sie und rammte sie in den Blumentopf. Du hast mich verlassen! Dann sank er neben den Überresten seines Freundes Kojote zusammen. Seine Schultern begannen zu zucken. Tränen verschleierten seinen Blick, als er seine Frau ansah.
»Du hast se doch nich mehr alle. Ich koch jetzt Kaffee.«

Mit den Ausrufezeichen bringe ich eine andere Stimmung rein, als wenn es nur einfache Punkte wären. Ewald wirkt dadurch viel aufgebrachter. Dann zeige ich, was ihn emotional an diesen Kaktus bindet: Er hat ihn schon sehr lange. Ich zeige ihn in Aktion und lasse ihn etwas tun, was er aus Wut tut. Durch den Vorsatz ist auch klar, dass es kein Versehen ist. Als nächstes kommt die Gartenschere ins Spiel. Also ich stelle mir ja vor, wie er seine Frau damit ersticht, aber ich lasse es ihn natürlich nur tun, aber ich lasse es den Leser damit vielleicht denken. Stattdessen richtet er seine Wut auf die erfrorene Pflanze und sackt in Trauer zusammen.
Und was macht seine Frau? Sie zeigt ihm nen Vogel und geht zum Tagesgeschäft über. Da bin ich aber wütend auf die Alte!

Hat es geklappt? Wie ging es Dir beim Lesen?

Der Trick besteht wie so oft darin, einen Text Testlesern zugänglich zu machen und sich rückmelden zu lassen, wie er wirkt. Das ist Übungssache, mit der Zeit ein Gefühl dafür zu entwickeln, was wie ankommt – nicht bei allen Lesern freilich. Denn Geschichten werden unterschiedlich aufgefasst. Vielleicht gibt man Christa recht und hält Ewald für einen Jammerlappen.
Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass meine Leser dieselben Gefühle empfinden, die ich selbst beim Schreiben auch habe, nur in abgeschwächter Form.

Habt ihr noch Fragen dazu? Habt ihr einen Wunsch für ein bestimmtes Thema?

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