SGZ-Woche 6 In Erwartung

Der Arzt war unter einem Vorwand hergebeten worden. Stephanie Woodbrocks hatte dem Boten nicht gesagt, was genau der medizinische Notfall sei.
»Seht euch Nala an!«
Das Hausmädchen verbarg ihren Leib seit Wochen in weiten Kleidern und ließ sich nur blicken, wenn zwingend nötig.
»Seit wann bist du in Erwartung?«, herrschte die Hausherrin sie an.
»Verzeihung, Miss Stephanie.« Offenbar verstand das junge Ding gar nicht, was in ihrem Körper vorging.
»Wer hat dich bestiegen, Nala?«, wollte Miss Woodbrocks wissen.
Beschämt blickte das Mädchen zu Boden, wagte keinen der Herren zu benennen.
»Doktor, können Sie es wegmachen?«
Er verstand nicht gleich. »Ich soll die Schwangerschaft beenden?«
»Ja. Ich dulde keinen Bastard in diesem Haus«, erklärte Stephanie Woodbrocks.
»Ich weiß nicht.« Der junge Arzt drehte seinen Hut in der Hand. »Dieses Verfahren ist noch sehr neu und nicht ungefährlich für die Patientin. Sind Sie sicher, dass Sie das Kind nicht in einem Waisenhaus abgeben wollen? Wenn es so weit ist, meine ich.«
»Ich bin sicher, Herr Doktor. Sonst hätte ich Sie nicht rufen lassen. Wenn Sie dann bitte anfangen wollen.«
Mit angstvoll aufgerissenen Augen hielt das Hausmädchen sich den Bauch. Die Frucht war fast ausgereift. Der Gynäkologe beschloss, ihr noch etwas Zeit zu schenken.
»Ich muss um Verzeihung bitten, Miss Woodbrocks. Ich benötige spezielle Instrumente und einen Assistenten.«
»Es sind genügend Knechte, die Ihnen assistieren können, Herr Doktor.«
»Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, Miss Woodbrocks, aber ich habe einen Assistenten, der geschult ist auf den Umgang mit Äther. Ich erwarte ihn in den nächsten Tagen von einer Bildungsreise zurück. Es wird nicht ohne ihn gehen.«
»Äther für ein Hausmädchen!«
»Ich kann nicht in Ruhe arbeiten, wenn sie sich in Schmerzen windet. Womöglich verletze ich lebenswichtige Gefäße und sie verblutet mir auf dem Tisch.«
»Und seis drum! Darüber hätte sie nachdenken sollen, bevor sie sich bespringen lässt!«
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.« Damit zog der Arzt sich zurück.

Vier Tage später kam Nala nieder und brachte einen gesunden Jungen zur Welt. Schweren Herzens trennte sie sich von ihm, um ihn in die Obhut des örtlichen Krankenhauses zu entlassen.

21 Jahre später sprach ein junger Arzt beim Anwesen der Woodbrocks vor …

Diese Geschichte ist im Rahmen der Mitmach-Aktion 100 Geschichten in 100 Tagen innerhalb von nur 60 Minuten entstanden und wurde bewusst nicht überarbeitet. 

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