Seelenverwandt

Äußerlich hatten wir nur zwei Dinge gemein. Die Haarfarbe, wobei mein Haar länger ist und lockig. Dafür hattest du deutlich mehr davon, auch an Stellen, an denen mir die Haare fehlen.
Die zweite Ähnlichkeit bestand in einem gut sichtbaren Bäuchlein. Meins ist den vielen Süßigkeiten geschuldet, die ich gerne und oft zu mir nehme. Deins kam mit dem Alter und deiner Diabeteserkrankung.

Schon als wir uns das erste Mal begegneten, warst du etwas ganz Besonderes für mich. Und auch umgekehrt zeigtest du mehr Interesse an mir als üblich. Zumindest wurde mir das berichtet.
In der Folgezeit trafen wir uns unregelmäßig. Bei meiner Ankunft beobachtetest du mich meist ein Weilchen aus sicherer Entfernung. Dann kamst du näher und suchtest Blickkontakt. Wenn sich unser Blick traf, hatte ich stets das Gefühl, dass deine Seele meine Seele berührt. Gesprochen haben wir nie miteinander und uns doch sehr viel erzählt.

Ich erinnere mich an einen Vormittag im Februar. Es war kalt draußen, aber die Sonne schien mir direkt ins Gesicht. Ich lag auf dem Sofa und fühlte mich schlecht. Alte Geister waren aufgetaucht, sie bedrängten mich und zugleich stieg ein unsägliches Einsamkeitsgefühl in mir auf.
Du kamst heran, setztest dich in meine unmittelbare Nähe und warst einfach nur da. Verscheuchtest die Geister, die mich ungebeten besucht hatten, und auch meine Einsamkeit.

Irgendwann, als ich wieder einmal abfuhr, hatte ich das intensive Gefühl eines Verlustes. Es wurde so stark, dass ich während der Autofahrt anhalten musste um meine Tränen zu trocknen. Lange konnte ich damit nichts anfangen, bis ich erfuhr dass du krank warst. Schließlich kam die Nachricht von deinem Tod.

Du hast mich vom ersten Augenblick an gefangengenommen. Deine Bernsteinaugen, dein sanftes Schnurren. Deine Wärme, die du ausstrahltest, wenn du dich auf meinem Schoß zusammengerollt hast.
Ich werde dich nicht vergessen. Wir sind seelenverwandt.

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