Rezension: Wärst du nur hier – Susanna Schober

Wärst du nur hier – der neue Roman von Susanna Schober ist nun ab sofort erhältlich! Wie man das Buch einschätzen darf und ob sich das Lesen lohnt, klären wir hier!

 

Wir befinden uns in Frankfurt bei unseren beiden Protagonisten Noah und Ilvy. Obwohl sie sich nicht kennen, sind sie beide bei derselben Psychologin in Betreuung, um ihre ganz eigenen Probleme aufzuarbeiten. Der Zufall führt sie schließlich zusammen – und lässt eine Liebesgeschichte der ganz besonderen Art beginnen …

 

Die Charaktere – ein Überblick

 

Ilvy: Unsere Protagonistin hatte es im Leben nicht gerade einfach. Wir erfahren bereits bald im Buch, woran das liegt. Die Erlebnisse zeichneten sie sogar soweit, dass sie zu Beginn der Geschichte kaum in der Lage ist, ihr neues Büro zu betreten. Sie misstraut anderen Menschen und weicht instinktiv vor großen Ansammlungen zurück. Außerdem ist sie fest von ihrer angeblichen Hässlichkeit überzeugt und hegt keine großen Hoffnungen für eine romantische Zukunft.

Noah: Zunächst dachte ich, dass wir mit Noah einen klassischen Manic Pixie Dream Boy ins Gesicht komplimentiert bekommen, aber dem ist nicht so: Genau wie Ilvy befindet auch er sich in psychologischer Betreuung. Der Tod seiner Mutter hat ihn tief gezeichnet und seine schwierige Beziehung zu seinem Vater hält ihn auch von seinem Berufswunsch ab. Zwar sieht er der Beschreibung gemäß umwerfend aus, aber in der Liebe klappt es bei ihm auch nicht wirklich. Sein innerer Konflikt lässt also noch genügend Wachstum übrig, um eine famose Heldenreise zu starten.

Eric: Noahs Vater fungiert in diesem Roman als Hauptantagonist. Er hält nichts vom Berufswunsch seines Sohnes, will ihn unbedingt in seiner Firma anstellen und einen „normalen“ Menschen aus ihm machen.

 

Der Plot

 

Grundsätzlich teilt sich das Hauptgeschehen in zwei separate Handlungsstränge auf, die durch Noah verbunden sind – zum einen der Konflikt mit Eric, zum anderen die komplizierte Beziehung zu Ilvy. Noah fungiert in beiden Fällen als Hauptcharakter, als „knight in shining armor“ (wenn auch mit Abstrichen). Was die Lysis (Happy End) des Buchs zunächst verhindert, sind Ilvys innerer Konflikt und Erics Handlungsweise als Antagonist, jedoch auch Noahs Unvermögen, seinem Vater eine Chance zu geben.

 

Kritik

 

Die Geschichte bietet an sich sehr viel Potenzial und dazu auch Tiefgang. Es werden soziale Abgründe angesprochen – vor allen Dingen aber das Versagen einer Gesellschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen modernen Büchern vollzieht sich Ilvys Leidensgeschichte nicht während der Handlung, sondern der Leser bekommt nur die Folgen zu Gesicht – bis Ilvy endlich von selbst über ihre Erlebnisse spricht. In dieser Hinsicht hätte dem Buch etwas mehr Subtilität gutgetan. Anstatt Ilvys Vergangenheit bereits im ersten Kapitel grob zu umreißen, wären sanfte Andeutungen besser gewesen – nicht zuletzt, um den Mysteryfaktor zu erhöhen. Als Ilvy Noah endlich alles erzählt, wollte die Autorin dem Leser wohl wie mit einem Vorschlaghammer die Wahrheit ins Gesicht drücken. In Wirklichkeit aber ist man kaum noch überrascht, denn der Plot Twist wird bereits in einer Art radikalen Prokatalepsis vorweggenommen. Wäre Ilvy zunächst nur schüchtern, könnte sich das Buch bis zu diesem Punkt als „normale“ Liebesgeschichte tarnen und dann den Schleier ruckartig fallen lassen – was leider nicht geschieht.

Dazu kommt, dass einige wenige Charaktere keinen augenscheinlichen Sinn in der Geschichte haben – es gibt keine Lysis, keine Auflösung, die ihre Anwesenheit rechtfertigen könnte (wie zum Beispiel Johanna, Ilvys beste Freundin mit ganzen zwei Auftritten im Roman). An sich ist das noch kein Kritikpunkt. Zum Tragen kommt er erst durch die Okkupation wichtiger Seiten, die man in den Ausbau relevanterer Charaktere hätte investieren können – wie zum Beispiel der Antagonisten Eric und Leo. Erics und Noahs Verhältnis wirkt stellenweise ein bisschen aufgesetzt. Der Herr Papa legt zudem äußerst einseitiges Verhalten an den Tag. Er bleibt immer der düstere, strenge Vater – die Verkörperung mangelnder sozialer Akzeptanz innerhalb Noahs Familie. Mich hätte mehr interessiert – wie ist Eric, der Ehemann? Was liebt seine Frau Fiona an ihm? Wie behandelt er die übrigen Kinder? Wie behandelt er seine Mitarbeiter? Was macht er in seiner Freizeit? Zusammenfassend: Wie denkt, handelt und fühlt der „Mensch“ Eric, nicht der Plot Device und Antagonist?

Leo steht dabei auf einem anderen Blatt Papier. Er taucht sehr spät im Buch auf und sollte damit wohl ein retardierendes Moment auslösen und Ilvy in ihrem Fortschritt zurückwerfen. Stattdessen verpufft er wie eine abstürzende Eintagsfliege am Handlungsrahmen. Sein Auftauchen wird (ähnlich wie bei Alissa, Noahs One Night Stand) hastig beendet und danach in wenigen Sätzen abgehandelt, bevor die Geschichte wieder wie gewohnt weitergeht. Grundsätzlich hätte sein Charakter großes Potenzial, das er aber leider nicht entfalten kann (beispielweise hätte er ebenfalls in psychologischer Betreuung und schon seit Beginn des Buchs ein Freund Noahs sein können – was einen äußerst schmerzhaften Plot Twist zur Folge gehabt hätte).      

 

Lesen – oder nicht lesen?

 

Trotz dieser Punkte ist der Roman auf jeden Fall lesenswert. Susanna Schober beschreibt hier keine simple Liebesgeschichte, wie man sie in Groschenromanen findet – sondern einen anstrengenden, passionsvollen Heilungsprozess. Ilvys Vergangenheit ist schrecklich, unbegreiflich, wie ein hässlicher Hinterhof menschlicher Zivilisation. Dennoch ist nicht nur sie es, die Heilung bedarf, sondern auch Noah. Beide Charaktere brauchen diese Beziehung, brauchen einander, um wieder ganz zu werden.

Abschließend lässt sich also über Wärst du nur hier sagen: Eine schmerzhaft-schöne Heldenreise mit kleinen Formfehlern, die das Buch selbst jedoch nicht ad absurdum führen.

 

 

 

 

 

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