Voidcall: Das Rufen der Leere – Kapitel 9: Die Hände der Herrlichkeit

Aufgrund feiertagstechnischer Aktivitäten mit einem Tag Verspätung:


Keuchend kam Archweyll auf die Beine. „Trottel. Hätte mir in den Kopf schießen sollen“, schnaufte er, während er sich langsam erhob. „Kampfanzug Level 3, mechanischer Medikus.“
Sirrend befolgte die Ausrüstung seine Anweisungen. Ein Scan analysierte seine Gewebestruktur und legte eine millimetergenaue Schablone auf seine Brust, dort, wo der Induktionsrevolver eine klaffende Wunde hinterlassen hatte. „Lunge und Herz verfehlt. Organzustand unkritisch. Parasitäre Fremdeinwirkung festgestellt. Blutverlust: hoch. Regeneriere“, krächzte die elektronische Stimme des Bordcomputers.
Archweyll schauderte bei dem Gedanken daran, dass die Pilze nun auch in ihm wachsen könnten, wenn der Anzug es nicht schaffen sollte sie zu neutralisieren.
Ein Laser begann damit, über die Wunde zu gleiten und die Hitze des Strahls versiegelte die Wunde.
“Verdammte Scheiße! Bering, das wirst du mir büßen“, keuchte Archweyll unter zusammengepressten Zähnen. Auch wenn die Behandlung sein Überleben sicherte, war sie doch keinesfalls angenehm. Er verbiss sich einen Aufschrei, als das Fleisch verkohlte und sich der Riss in seiner Brust langsam schloss.
„Wunde versiegelt. Lege Zugang.“ Eine sterile Nadel bohrte sich in Archweylls Unterarm und versorgte ihn mit benötigten Mineralien, einem Stimulanzmittel und der erforderlichen Dosis Parazyklon, um den Pilz in seinem Körper zu eliminieren. Innerhalb weniger Sekunden spürte der Kommandant, wie seine Kräfte zurückkehrten. „Danke für die Aufputschmittel“, frohlockte er, als die Wirkung der Stimulanzien sich gänzlich entfaltet hatte, und machte sich daran, die einzelnen Funktionen des Kampfanzuges zu untersuchen. Bis auf einen Riss in der Brustplatte war dieser zu seinem Glück einsatzbereit. Archweyll aktivierte per Spracherkennung sein elektronisches Visier und leuchtend erwachte es zum Leben, versorgte ihn mit den Daten, die er brauchte.
Berings Scanner hatte gute Arbeit geleistet, zumindest was die Struktur der Raumstation anbelangte. Eine Sammlung roter Punkte zeigte dem Kommandanten, wo sich seine restlichen Kameraden befanden. Anscheinend hatte der Chefmechaniker sie zu einem Hangar, auf der Rückseite der Station verfrachtet. Seine Männer hatten sich ungesehen der Station genähert, als die Radarschirme der Atharymn ihren Dienst versagt hatten.
Bei dem Gedanken an die Hände der Herrlichkeit lief dem Kommandanten ein eisiger Schauder über den Rücken.
Howard Bering war ein vergleichsweise menschlicher Mutant, wenn man erst einmal die anderen gesehen hatte. Diese terroristische Organisation verhieß nichts Gutes, denn egal wo sie auch auftauchte, ihr folgte stets Tod und Verderben.
Archweyll musste sich beeilen, denn Howard Bering dürfte mittlerweile einen ansehnlichen Vorsprung innehaben. „Level 1“, befahl der Kommandant. Sofort veränderte sich der Kampfanzug, um ihm zu Diensten zu sein. Wenn man dem Scan trauen durfte, musste er durch einen Aufzugschacht und von dort weiter in den Haupthangar. Dort würde er vermutlich auch Bering und seine Meute sabbernder Abscheulichkeiten antreffen. Den Aufzug fand er schnell. Als Archweyll die stählernen Türen mit einer sommerlichen Einfachheit aufpresste, wurde ihm bewusst, dass es jetzt erst richtig los ging. Ein manisches Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Der Dämon war nur ein Vorgeschmack gewesen, wenn auch ein bitterer. Aber jetzt war er in seinem Element. Jetzt ging es nicht mehr um telepathische Fähigkeiten, sondern um Schlachtgeschick. Und davon besaß Archweyll mehr, als dem ein oder anderen lieb war. Das Adrenalin mischte sich mit den Substanzen in seinem Blut zu einem Feuerwerk der Leidenschaft.
Unter ihm klaffte ein finsterer Schlund, der ins Nichts zu führen schien, einem schwarzen Loch in nichts nachstehend. Mit einem Satz sprang Archweyll hinein. Die Haken auf seinem Anzug gruben sich kreischend in das Metall und sorgten dafür, dass er mit einem gemächlichen Tempo in die Tiefe sauste. Funken erhellten seinen Weg und der Lärm musste selbst auf Prospecteus noch vernehmbar sein. Archweyll war das egal. Ein Überraschungsangriff hatte seine Vorteile, das war dem Kommandanten durchaus bewusst, aber er hatte sich etwas Besseres überlegt.
Howard Bering war ein zutiefst paranoider Mensch. Wenn er frohlockend seinen Angriff ankündigte, würde das Nervosität bei seinen Feinden hervorrufen und ihre Fehlerwahrscheinlichkeit immens erhöhen. Archweyll hatte schließlich am eigenen Leibe erfahren müssen, dass Angst eine mächtigere Waffe war, als Heimlichkeit. Außerdem ließen die Stoffe in seiner Blutbahn keinerlei Ernsthaftigkeit mehr zu.
“Ich kooomme!“, rief der Kommandant mit aufgedrehter Stimme in den Schacht hinein, als würde er ein Versteckspiel beginnen. Es antwortete nur sein Echo und das Knirschen des Metalls. Als er auf der richtigen Ebene war, vollführte Archweyll einen gewaltigen Satz, zündete die Schubtriebwerke und brach mit einem lauten Knall durch die Aufzugstür, die zu beiden Seiten wegfegte, als wäre es nichts. Ohrenbetäubender Krach zog sich durch die gesamte Raumstation. „Pardon, wo sind meine Manieren?“, feixte Archweyll und salutierte, als er die Leiche eines Dunklen Engels passierte.
Dann blieb er wie angewurzelt stehen. Möglicherweise übernimmt er im Endstadium die Funktionen der wichtigsten Organe und dadurch letztendlich die vollständige Kontrolle über seinen Wirt.
Die Worte seines Chefmechanikers geisterten durch sein Erinnerungsvermögen wie Irrwische. Er blickte zu dem Leichnam und seine Vermutung wurde zu einer bösen Vorahnung. Intuitiv zog er den Induktionsrevolver und feuerte auf den Kopf des Dunklen Engels. Dann noch einmal. Sicher ist sicher. Und er konnte keine ungebetenen Gäste gebrauchen.
Vielleicht war die Aktion im Aufzug doch keine allzu gute Idee gewesen, schoss es durch seinen Kopf, doch er verdrängte diesen Gedanken und fokussierte sich wieder auf das Ziel.
Er befand sich in einem Korridor aus veredeltem Diamantglas, welcher einen Einblick in den Warp gewährte. Noch lag die Atharymn geduldig in der Leere. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit, bis die Reaktoren wieder ihre volle Leistung entfesseln konnten, um dem Schiff die notwendige Energie zu verleihen. Dann würde es für Bering ungemütlich werden, also musste sein Plan vorsehen, entweder zu verschwinden, bevor dies geschah, oder die Atharymn zu überrumpeln und kampfuntauglich zu machen. Es wird nicht soweit kommen, beschloss der Kommandant in Gedanken, während er den Korridor entlangraste wie ein abgestochenes Wildschwein.
Vor ihm lag eines der riesigen Zusatzmodule der Raumstation. Wie ein halb eingeschlagener Nagel klaffte es aus der Raumstation und schien nur auf Arch zu warten. Er passierte eine weitere Pforte, bevor er endlich den Hangar erreichte.
Ein imposanter Anblick bot sich ihm: Das Ende der Halle war in der Ferne nicht auszumachen und die Decke in etwa so hoch wie einer der durchschnittlichen Wolkenkratzer auf seinem Heimatplaneten. Ein riesiges, durch ein semipermeables Energiefeld geschütztes Tor bot jedem Flieger die Möglichkeit, die Station zu betreten.
Im Normalfall hätte es nur kein feindlicher Flieger je bis hierher geschafft, schlussfolgerte Archweyll. Im Hangar selbst, befanden sich Kampfschiffe unterschiedlichster Größe und Ausstattung. Von kugelförmigen Einsitzern, die zu hunderten waffenbestückt auf Fließbändern ausharrten, bis hin zu imposanten Fregatten, die ungefähr die Größe der Atharymn erreichten, waren alle Fliegerklassen vertreten. Eine dieser Fregatten hatte bei ihrem gescheiterten Fluchtversuch eine Schneise der Verwüstung hinter sich hergezogen. Maschinenteile und Raumschiffwracks bedeckten den Boden des Hangars.
Langsam schlich Archweyll darauf zu und aktivierte sein Teleskopschwert. Heute würde er es mit hundertprozentiger Leistung benötigen. Ein kaum merkliches Vibrieren ging durch seinen Arm, als sich der Mini-Reaktor aktivierte, um die notwendige Energie zur Verfügung zu stellen. „Wärmekamera aktivieren“, flüsterte Archweyll, während er sich hinter einem Stück Weltraumschrott verschanzte. Der Scan zeigte mehrere Lebewesen in unmittelbarer Nähe. Hunde von Bering.
Archweyll atmete tief durch. Jetzt war es soweit. Für den Bruchteil einer Sekunde entwich seinen Lippen ein Lächeln. Dann stürzte er sich auf den Feind.
Die Mutanten waren große, menschenähnliche Wesen, die jeweils den unterschiedlichsten Experimenten ausgesetzt worden waren. Einer besaß den Kopf und den Rumpf einer Ziege, mit imposanten Hörnern, ein anderer war mit langen Fangarmen voller Saugnäpfe ausgestattet. Der dritte besaß vier Köpfe und der vierte eine Schuppenhaut. Als Archweyll auf sie zustürmte, stießen sie wütendes Geheule aus. Zweifelsohne musste Bering sie geschickt haben, um ihn aufzuhalten. „Hast du es nicht für nötig befunden, es mir etwas schwieriger zu machen?“, zischte der Kommandant beleidigt.
Plötzlich holte der Tiermensch eine Axt hervor, die größer war als er selbst. Und das bei beträchtlichen drei Metern Größe.
Der mit der Schuppenhaut zückte ein Induktionsgewehr und feuerte, um den Ansturm seines Kameraden zu decken.
Archweyll rutschte hinter einem Stück Schrott in Deckung. Eine Sekunde später wurde das Metallstück von der Schneise der Axt völlig zerfetzt. Der Luftzug der Waffe zauberte dem Kommandanten eine Gänsehaut auf den Nacken. Vielleicht würde der Kampf doch noch interessant werden. Er holte tief Luft, dann aktivierte er die Schubwerke. Mit einem Satz steuerte er auf seinen Gegner zu. Das Schwert riss dem Mutanten gleich zwei seiner Köpfe vom Körper. Blut besudelte den Boden und rote Tropfen zierten seinen Aspexylanzug.
Der nunmehr nur noch zweiköpfige Mutant machte Kurs auf ihn. Mit einer monströsen Kraft griff er nach Archweyll und schleuderte ihn gegen eines der kleineren Raumschiffe. Die Glasscheibe zerbarst mit einem schrillen Aufschrei und ließ ein Regen aus Scherben über den Kommandanten hinwegfegen.
Er spürte, wie sein Blut aus unzähligen kleinen Schnittwunden lief. Archweyll rappelte sich auf. Mit einem Satz entwich er der Großaxt des Tiermenschen um Haaresbreite. Seine Schubwerke leiteten ihn zu den Flügeln des Kampfschiffes, wo ein Dutzend Torpedos verankert lagen. Archweyll griff sich eine der Waffen, aktivierte manuell den Zünder und schleuderte sie von sich. Mit einem unsagbaren Knall explodierte der Torpedo und riss den zweiköpfigen Mutanten gänzlich in Stücke.
Doch sein Tod schien die anderen nur weiter anzustacheln. Weitere Schüsse aus dem Induktionsgewehr zwangen Archweyll in Deckung zu gehen, doch direkt war der Ziegenmensch zur Stelle, um ihn mit seiner riesigen Axt zu bearbeiten. Die Wucht dieser Waffe konnte Archweyll nicht parieren, also war er gezwungen auszuweichen, was sich als schwierig herausstellte. Ein Projektil traf seinen Arm, Schmerz zog seinen Körper zusammen wie ein Gummiband. Fluchend aktivierte der Kommandant die Schubwerke. „Maximale Leistung“, knurrte er verdrießlich. Er war die Mutanten leid. Mit einem unglaublichen Satz flog Archweyll durch den Hangar. Fast zu schnell, um noch gesehen zu werden. Das Schwert in seiner Hand löste einen kribbeligen Reflex aus.
Aeola wollte geschwungen werden. Sie dürste nach Blut.
Für eine Sekunde überlegte er fieberhaft, warum er seinen Lieblingsobjekten stets Frauennamen zuschrieb, und ob das sexistisch sei, doch dann verschwand der Gedanke wieder und wich einer Fontäne aus Blut, als er die Klinge in die Schulter des Echsenmenschen trieb. Sie trat am Rumpf wieder aus und hinterließ zwei Hälften aus leblosem Fleisch.
„500 Gramm Hack, halb und halb zum mitnehmen“, kicherte Archweyll zynisch, während er die Leiche mit seinen Fußspitzen anstieß. Die Stimulanzien in seinem Blut zeigten wahrlich ihre Wirkung.
„Du wirst leiden!“, kreischte der Tentakelmann wutentbrannt und rannte auf ihn zu. Archweyll drehte sich seelenruhig zu ihm um, ein fast zuvorkommendes Lächeln aufgelegt. „Dafür, dass du zu diesem Kampf noch nichts beigetragen hast, steht dein Maul verdammt weit offen“, sprach er seelenruhig.
Doch plötzlich tauchte der Tiermensch hinter ihm wie aus dem Nichts auf.
Angriff von zwei Seiten, wie originell. Für eine Sekunde war Archweyll abgelenkt.
Eine Sekunde zu lange, denn der Mutant packte ihn mit seinen abartigen Greifern und zerrte ihn mit sich. Wie in Zeitlupe sah der Kommandant, wie die riesige Klaue der Axt auf ihn zuraste, um seinen Kopf vom Rest seines Körper zu trennen. Doch das war Teil seines Plans. Er aktivierte die Schubwerke und rollte sich mit einem gewaltigen Satz über den Rücken des Mutanten ab.
Dessen Tentakeln rissen vom Körper, als der Kommandant sich so ruckartig von ihm entfernte. Der Mutant hatte jedoch keine Zeit, um dies zu beklagen, denn die Axt seines Kameraden durchtrennte seine Bauchdecke wie Butter. Röchelnd ging er zu Boden.
„Dich habe ich mir extra bis zum Schluss aufgehoben, du Missgeburt“, feixte Archweyll und für eine Sekunde schien ein Knistern in der Luft zu liegen, als sich ihre Blicke kreuzten. Dann stürmten sie aufeinander zu. Abermals sauste die Axt auf ihn zu.
Der Kommandant ließ sich auf die Knie fallen und aktivierte die Schubwerke. Er glitt unter dem Angriff des Tiermenschen hindurch und seine Klinge trennte dem Mutanten einen Arm ab. Krachend sank die schwere Axt zu Boden. Archweyll erhob sich in Sekundenschnelle und beendete es durch einen Stich in die Brust.
Schwer atmend blickte der Kommandant sich um. Dieser Kampf war erfrischend gewesen, aber noch nicht das, was er sich vorgestellt hatte. „Kampfanzug, Level 3“, forderte er grinsend. „Ich glaube, ich brauche noch ein paar Tropfen Stimmungsverstärker.“
Kurz nachdem die Nadel sich in seinen Arm gegraben hatte, wurde die Welt plötzlich klarer. Stimmen drangen an sein Ohr, aus undefinierbarer Ferne. „Batterieleistung kritisch. Kampfanzug auf Notstromreserve. Aufladung erforderlich“, knisterte die vertraute mechanische Stimme.
Archweyll schenkte ihr keine Beachtung. Notfalls hieß es: Er gegen den Rest der Welt. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss die Blitze und Ringe aus grellen Farben. Diese Welt ist so grau geworden, dachte er wehmütig. Dann eilte er weiter. Er fand die restlichen Mutanten, wie sie riesige, sich auf Rollbrettern befindende Rechner in ein großes Raumschiff lieferten, auf dessen Bordwand die violette Hand der Herrlichkeit prangte.
Seine Mannschaft kniete gefesselt auf dem Boden, umzingelt von zwei Dutzend Tiermenschen.
„Hat dir mein Empfangskomitee nicht gut bekommen?“, Howard Berings Stimme erschien aus dem Raumschiff. Der Chefmechaniker trat aus einer kleinen Pforte, begleitet von zwei in Aspexylpanzer gehüllten Mutanten. „Du schwankst ja von links nach rechts. Mein Gott, Archweyll, hast du dich wieder mit Stimulanzien abgeschossen?“ Howard ließ einen kehligen Laut ertönen, der auch als sein Lachen bekannt war.
„Das endet. Hier und jetzt.“ Dem Kommandanten war klar, dass die Provokation sinnloses Gewäsch war. Wenn er es zuließ, würden die Stimulanzien ihm eine unmenschliche Klarheit verschaffen und
Bering wusste das. Er war nervös.
„In der Tat“, bestätigte der Chefmechaniker. Dann brummte er etwas in ein Funkgerät.
Röhrend aktivierte sich das Fließband, auf dem sich die kleineren Flieger befanden. Zu seinem Entsetzen stellte Archweyll fest, dass sie mittlerweile bemannt worden waren. Sie greifen die Atharymn an.
Dann öffnete sich ein Gatter in dem großen Raumschiff und unzählige Abscheulichkeiten rasten brüllend auf ihn zu. Für eine Sekunde schloss Archweyll die Augen. Er war bereit, sein letztes Gefecht auszutragen.

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