Durch das Kellerfenster sehe ich einen Streifen Mondlicht hereinscheinen. Ich wollte, ich würde hindurchpassen, dann wäre meine Gefangenschaft hier zu Ende.
Um mich abzulenken und auch zu beschäftigen, schreibe und schreibe ich, bis mir die Sehnenscheiden brennen. Wenn es soweit ist, komme ich wieder ins Nachdenken. Darüber, wie ich hier hereingeraten bin.
Ich nahm an einem Wettbewerb teil. Einzureichen waren Exposé und Leseprobe, dazu eine Vita. Ich nahm all meinen Mut zusammen und reichte ein frisch erdachtes Projekt ein, von dem es erst zwölf Seiten gab. Das war eigentlich aus Jux und Dollerei, weil ich mir selbst eine Deadline setzen wollte, indem ich mir vorstellte, meine Geschichte würde ausgewählt und man wolle drei Monate später mein Gesamtmanuskript sehen.
Tja. Dass es wirklich so kommen würde, daran hätte ich nie geglaubt.
Ich konnte dann natürlich nicht liefern, als der Termin verstrichen war. Man setzte mir eine Nachfrist. Einmal, zweimal. Dann lud man mich freundlich, aber bestimmt, zu einem »Schreibcamp« ein. Dort seien viele aufstrebende Autoren wie ich, mit denen ich mich austauschen könne.
Von wegen. Wir sind alle in Einzelkerkern untergebracht. Es gibt nicht mal Internet, nur einen hauseigenen Rechercheserver. Man Handy haben sie mir auch weggenommen. Ich habe eine Eieruhr, mit der ich mir zu Schreibsprints die Zeit stoppen kann. Das heißt, ich hatte – ich warf sie während der ersten Tage in einem Wutanfall an die Wand. Mittlerweile tut es mir leid, denn ich hätte sie gut brauchen können.
Zu trinken gibt es hier ausreichend, Essen geht so, nur das Bett knarzt erbärmlich, sodass ich nachts aufwache, wenn ich mich umdrehe. Das soll der Kreativität förderlich sein. Schlechter Schlaf befördert die Fantasie. Lassen Sie das nur keinen Maniker hören.
Ich bin froh, dass sie uns das Tageslicht gelassen haben, auch wenn es nur spärlich durch das Kellerfenster dringt. Doch so weiß ich wenigstens, wann Tag und Nacht ist. Ich bin Herr über meine Zeit, die hier vergeht. So weiß ich, dass ich schon seit 193 Tagen hier unten hocke. Es fehlt nicht mehr viel. Nur ein gutes Ende.
Diese Geschichte ist im Rahmen der Mitmach-Aktion 100 Geschichten in 100 Tagen innerhalb von nur 60 Minuten entstanden und wurde bewusst nicht überarbeitet.