Korrekturen 18

Teil 18 – High Noon (3/3)

»Erzählen Sie mir doch etwas Neues. Hat Thoben Sie geschickt?«
»Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass wir die Guten sind«, wiederholte Khendrah. »Wir haben ein Interesse daran, dass die Wahlen mit und nicht ohne Sie stattfinden werden. Allerdings liegen uns Informationen vor, wonach es gleich zu einem Attentat kommen wird, mit dem Ziel, Sie zu töten. Wir sind hier, um genau das zu verhindern.«
Diese Eröffnung schockte Gunter. Thomas sah es ihm an.
»Bitte drücken Sie nicht auf ihren Signalgeber«, bat er. »Wir werden uns darum kümmern, dass Ihnen nichts geschieht.«
Khendrah hatte inzwischen ihre Uniformjacke ausgezogen und holte diverse Ausrüstungsgegenstände aus ihrer Kombination. Mit geschickten Händen setzte sie ein kleines, elektronisches Gerät zusammen.
»Reichst du mir bitte einmal den Projektionskristall?«, bat sie Thomas.
Er griff in seine Tasche und reichte ihr das Gewünschte.
»Was tun Sie da?«, wollte Gunter wissen.
»Wir müssen Sie aus der Schusslinie bekommen«, erklärte Khendrah. »Und was ist besser, als Attentäter, die ein Ziel dort sehen, wo eigentlich keines zu finden ist?«
Sie richtete das Gerät auf Gunter und schaltete es ein.
»Was zum Teufel …?«, entfuhr es Gunter.
»Es ist eine Art Kamera«, erklärte sie. »Bitte bewegen Sie sich nur ganz leicht. Es ist wie ein Film. Man wird Sie sehen können. Wenn Sie sich möglichst normal bewegen, wird es um so natürlicher Aussehen.«
Nach kurzer Zeit drückte Khendrah eine Taste am Gerät und kam mit ihm um den Tisch herum auf Gunter zu. Erst jetzt fiel ihr auf, wie ähnlich Gunter Thomas sah. Sie hoffte, dass es nicht auch Gunter auffallen würde, denn sie hatte nicht vor, ihn mehr einzuweihen, als unbedingt nötig war.
Sie legte das Gerät auf den Boden und schaltete es ein. Sofort baute sich ein Feld darüber auf, in dem Gunter so erschien, wie Khendrah ihn kurz zuvor aufgenommen hatte.
»Jetzt hol mich doch …«, entfuhr es Gunter. »Was ist das für ein Gerät? Ich habe so etwas noch niemals gesehen.«
»Ein holografischer Projektor«, erklärte Khendrah. »Kommen Sie jetzt bitte hinter dem Schreibtisch hervor, Herr Manning-Rhoda. Diese Maßnahme dient nur Ihrem Schutz. Wir rechnen jeden Augenblick damit, dass eine Gruppe von PEV-Aktivisten hier erscheint, um Sie zu töten.«
»Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!«, sagte Gunter. »Sicher, die PEV ist unser Wahlgegner, aber das sind doch keine Killer.«
Trotzdem kam er hinter dem Schreibtisch hervor und blickte zu seiner Projektion zurück, die an seiner Stelle hinter dem Schreibtisch stand und sich leicht bewegte.
»Das ist faszinierend«, sagte er. »Es sieht täuschend echt aus.«
»Das ist ja gerade der Sinn der Sache«, betonte Thomas. »Man soll ja glauben das dort wären Sie.«
Gunter stand nun direkt vor Thomas und sah ihn nachdenklich an.
»Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind? Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
»Sie müssen sich täuschen«, entgegnete Thomas.
Er deutete auf ein paar Stellwände im Hintergrund des Raumes.
»Ich würde Sie bitten, sich dort hinter zu verstecken und uns zu überlassen, auf unsere Gegner zu warten.«
Gunter zuckte mit den Schultern, wandte sich um und verschwand hinter den Wänden, ohne weitere Fragen zu stellen. Sie würden im Ernstfall zwar keinen echten Schutz bieten, doch war er für eventuelle Angreifer erst einmal nicht zu sehen.
»Wie gehen wir es jetzt an?«, fragte Thomas Khendrah. »Wir wissen ja nicht einmal, wie viele es sein werden und von wo sie kommen.«
»Im Grunde müssen wir auf alles gefasst sein. So wie wir es geschafft haben, bis hierher vorzudringen, kann es auch jede andere Gruppe schaffen. Je größer die Gruppe, um so schwieriger sollte es jedoch sein. Ich rechne daher mit nicht mehr als vier Leuten. Ich glaube, dass sie entweder durch die Tür kommen werden, oder durch eine der Innenwände.«
»Dann sollten wir uns trennen und etwas Raum zwischen uns lassen«, schlug Thomas vor, »Damit wir unsere Waffen effektiv zum Einsatz bringen können.«
»So machen wir es«, akzeptierte Khendrah. »Aber stell deine Waffen auf tödliche Schocks ein. Wir werden uns nicht damit aufhalten, ganz exakt treffen zu müssen, um sie zu betäuben. Diese Leute werden auch keine Rücksicht nehmen und ehrlich: Ich würde es begrüßen, hier unverletzt und aufrecht wieder herauszukommen.«
Sie küssten einander kurz und trennten sich dann, um sich strategisch günstige Plätze zu suchen, von wo man einen möglichst großen Aktionsradius hatte.

Drei Männer und eine Frau gingen ruhig und zielsicher durch die große Haupthalle des Kongresszentrums. Sie trugen die übliche Uniform der Sicherheitsbeamten und besaßen jeder einen auf ihn ausgestellten Unbedenklichkeitsausweis. Sie gehörten auch dem Sicherheitsdienst an. Was niemand ahnte: Es handelte sich um glühende Anhänger der PEV und so war es ihnen eine Ehre, diesen Auftrag anzunehmen, als das Büro von Herwarth Thoben sie darum bat, ein bestimmtes Problem zu lösen.
Niemand sonst hätte sich offensichtlich gut bewaffnet unbehelligt durch das Gebäude bewegen können. Zwischendurch hatte es eine Unregelmäßigkeit gegeben, als offenbar eine männliche und eine weibliche Person sich unrechtmäßig Zugang zum Gebäude verschafft hatten. Sie hatten zunächst geglaubt, ihre Pläne ändern oder aufgeben zu müssen, doch hatte man keinen Verdacht geschöpft. Man konzentrierte sich ganz auf die Suche nach den beiden Personen, die sich noch immer irgendwo im Gebäude befinden mussten. Sie beschlossen, sich nicht darum zu kümmern und stattdessen die Suche nach den Personen für ihre Zwecke auszunutzen.
Wann immer sie gefragt wurden, wo sie hinwollten, reichte der Hinweis auf die Gesuchten, sie passieren zu lassen.
Inzwischen befanden sie sich im Gang, der zu Gunter Manning-Rhoda führte. Sie hassten den Mann nicht, aber es war ein Feind der PEV und Thoben hatte angeordnet, ihn zu liquidieren. Es sollten keinerlei Rücksichten genommen werden.
Sie redeten nicht viel miteinander. Sie mussten es auch nicht, denn jeder kannte seine Aufgabe. Sie waren ein Team – ein tödliches Team.
Vor der Tür zu Gunters Räumlichkeiten angekommen, verteilten sie sich links und rechts neben dem Eingang. Sie fassten in ihre Kragen und zogen spezielle Kapuzen heraus, die sie sich komplett über die Köpfe zogen, sodass ihre Gesichter nicht mehr zu erkennen waren. Gleichsam zogen sie Handschuhe aus dem gleichen Material an. Ihre Auftraggeber hatten keine Kosten und Mühen gescheut und ihnen hochmoderne Kevlar-Schutzanzüge spendiert. Diese hauchdünnen und federleichten Ganzkörperanzüge waren das Modernste, das die Waffenindustrie zum Schutz von Soldaten entwickelt hatte. Sie leiteten einerseits elektrische Spannungen und Schocks über die Oberfläche ab und hielten andererseits sogar Stahlmantelgeschosse auf. Der Getroffene würde mit Prellungen und leichten Verletzungen davon kommen.
Die Frau nickte den anderen zu und klopfte an die Tür. Sie machten sich bereit. Sobald sich die Tür öffnen und sich ein Sicherheitsmann melden würde, würden sie zuschlagen, doch nichts geschah. Sie blickten auf ihre Uhren. Es war Sitzungspause – ihre Zielperson musste jetzt in seinen Räumen sein. Sie klopfte ein weiteres Mal, doch wieder tat sich nichts.
Die Frau sah zu ihren Kollegen und sagte leise: »In Ordnung, wir gehen rein.«
Sie fassten ihre Waffen fester und hielten sie auf die Tür. Sie hatten Schalldämpfer aufgeschraubt, um die Lärmbelästigung auf ein Minimum zu beschränken. Die Frau zielte auf das Schloss der Tür, welches mit einem Knall zerbrach. Sie blickten sich in beide Richtungen des Ganges um, dann trat einer der Männer die Tür auf und sie stürmten hinein. Sie schwärmten sofort aus und bemühten sich um ein umfassendes Gesamtbild des Raumes.
Gunter Manning-Rhoda stand hinter seinem Schreibtisch vor dem Fenster und blickte ihnen sprachlos, jedoch nicht verängstigt entgegen. Gleichzeitig legten sie ihre Waffen auf ihn an und feuerten. Vier Thermo-Geschosse flogen auf ihr Opfer zu und schlugen hinter Manning-Rhoda ins Fenster ein. Die Hitzeentwicklung war unerträglich. Das Glas des Fensters schlug Blasen und zerriss wie Papier. Eine Alarmanlage schrillte, doch die Attentäter ignorierten es. Sie waren entsetzt, sehen zu müssen, dass ihr Opfer noch immer hinter dem nun brennenden Schreibtisch stand und sie ansah. Das war nicht möglich. Ein Thermo-Geschoss hätte seinen Körper entzünden müssen wie eine Fackel. Plötzlich flackerte das Bild von Manning-Rhoda und verlosch schließlich.
»Wir sind reingelegt worden!«, rief einer der Männer. »Das muss eine Projektion gewesen sein!«
»Wir müssen weg!«
Die Feuerlöschanlage nahm ihre Tätigkeit auf und von der Decke regnete es aus feinen Düsen eine chemische Flüssigkeit, die den Brand eindämmen sollte.
Khendrah, die sich beim ersten Anzeichen des Eindringens der Attentäter hinter eine Couch geduckt hatte, erhob sich leicht und feuerte mit ihrer Waffe auf den Mann, der ihr am nächsten stand. Er war sofort mit kleinen Blitzen und Feuerkaskaden überzogen, die über seinen gesamten Körper zu wandern schienen. Er zuckte zwar zusammen, doch er fiel nicht um. Sein Kollege reagierte unglaublich schnell und feuerte in ihre Richtung. Nur ihrer guten sportlichen Konstitution hatte sie es zu verdanken, dass sie dem Inferno entkam, welches das Thermo-Geschoss entfachte, das in der Couch einschlug, hinter der sie sich versteckt hatte. Khendrah hatte sich mit einer Flugrolle in Sicherheit gebracht, doch nun wussten ihre Gegner, wo sie sich befand.
»Thomas, auf Anilihation umschalten!«, schrie sie. »Sie haben Schutzanzüge!«
Sofort feuerte sie auf ihren Gegner, der bereits wieder auf sie angelegt hatte. Diesmal zeigte der Treffer Wirkung. Die Waffe und der halbe Arm des Mannes verschwanden plötzlich. Durch die Maske war das Gesicht des Getroffenen nicht zu erkennen, aber der gellende Schrei war nicht zu überhören. Völlig kopflos rannte er herum. Die Anderen kümmerten sich nicht um den Verletzten Kameraden, sondern nahmen Khendrah unter Feuer. Wieder gelang es ihr, durch einen beherzten Sprung zu entkommen.
Nun griff Thomas ins Geschehen ein und feuerte von seinem Standort aus auf die Angreifer. Die Frau wurde getroffen und verschwand zur Hälfte. Er musste würgen, als er erkannte, was nach seinem Schuss von seinem Ziel übrig geblieben war. Doch ihm blieb keine Zeit, seinem Gefühl nachzugeben, denn die beiden verbliebenen Männer feuerten mit dem Mute der Verzweiflung. Nun zeigte sich, dass Khendrahs hartes Training Früchte trug. Sowohl Khendrah, als auch Thomas waren nun ständig in Bewegung und bildeten somit nur schwer zu treffende Ziele. Gleichzeitig schossen auch sie aus allen Lagen. Die Angreifer hatten dazugelernt und verstanden es nun, sich ebenfalls hinter Teilen der noch verbliebenen Ausstattung zu verstecken. Khendrah und Thomas mussten mit ihren Waffen quasi erst die Deckung ihrer Gegner auflösen, bevor sie einen wirkungsvollen Treffer landen konnten.
Schließlich war es vorbei. Die Attentäter waren tot. Khendrah und Thomas erhoben sich und sahen einander an. Sie hatten beide Einiges abbekommen. Von Khendrahs Uniform war nicht mehr viel übrig geblieben. Sie hatte einige Kratzer im Gesicht und blutete am Arm. Thomas blutete aus einer Wunde an der Stirn und hatte eine Brandwunde am linken Arm.
Gunter kam vorsichtig hinter seiner Stellwand hervor. Keiner der Attentäter war auf die Idee gekommen, dass er sich dort versteckt haben konnte. Er blickte sich vorsichtig um und war entsetzt. Was er hier sah, war ein regelrechtes Gemetzel.
»Mein Gott!«, entfuhr es ihm, »Was haben Sie hier angestellt?«
Khendrah deutete auf die Überreste der Angreifer.
»Wir haben das so nicht gewollt, aber diese Leute wollten Ihren Tod und das durften wir nicht zulassen.«

_________________________________________________________________________

In eigener Sache:
Diese Geschichte wird bereits seit vielen Wochen als Fortsetzungsgeschichte gepostet und es könnte noch etliche Wochen so weitergehen, bis sie ihr Ende erreicht. Ursprünglich wurde der Roman natürlich nicht als Fortsetzungsgeschichte konzipiert, sondern als homogener Text. Er muss also stets aufbereitet werden, um hier erscheinen zu können.
Nun musste ich leider feststellen, dass kaum jemand überhaupt Interesse an der Geschichte hat. Das hat mich bewogen, das Posten weiterer Teile auszusetzen. Der Aufwand, weitere Teile bereitzustellen, lohnt nur, wenn die Geschichte auch gelesen wird.
Sofern es Leser gibt, die diese Geschichte bis hierher verfolgt haben und daran interessiert sind, zu erfahren, wie es weitergeht, können mich gern unter der Mailadresse blackhole@moriazwo.eu kontaktieren. Ich bin gern bereit, dann weitere Fortsetzungen zu posten.
Ich hoffe, Ihr habt für mein Verhalten Verständnis.

Ergänzung vom 22.07.2019:

Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, von Lesern kontaktiert zu werden, doch es ist tatsächlich geschehen. Man sagte mir, es wäre außerordentlich schade, dass ich das Posten weiterer Teile aussetze, man es jedoch durchaus verstehen könne, wenn zu wenige Leser die Geschichte verfolgen.
Dadurch wäre es jetzt für diejenigen, die meinen Fortsetzungsroman gelesen haben unfair, die Geschichte nicht zum Ende zu bringen. Ich weiß selbst, wie ich mich ärgere, wenn eine ausnahmsweise mal interessante TV-Serie bereits während der ersten Staffel abgesetzt wird, weil die erwartete Zuschauerzahl ausbleibt. Ähnlich wird es auch jemandem ergehen, der eine Geschichte liest, die plötzlich kein Ende mehr haben wird.
Es wird daher nach den großen Sommerferien in NRW ab dem 7. September 2019 weitere Teile geben. Ich werde dann das Posten im altbekannten Rhythmus wieder aufnehmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.