Plüschblaue Tagträume (4)

„Dein tolles Skript ist einen verrückten Weg gegangen, Schaldek. Ähnlich wie das Monster. Es hat viel Glück gehabt. Und bilde Dir bloß nichts drauf ein, dass ich es nicht gefressen hab. Ich habe nur Respekt vor seiner Entstehung. Die Handlung jedenfalls war nach sich selbst auf der Suche.“

Ich reite auf dem Rücken des Alpakas, das mir eine Abkürzung nach oben versprochen hatte. Eben einen kürzeren Weg aus dem Nebel, und als dieser sich lüftet, bin ich irritiert, dass das Alpaka über Matsch und Schlitter trabt. Als ich genauer hinsehe, erkenne ich Windungen wie bei einem Gehirn.

„What the!“

„Na, wir reden doch über Deinen Schimmer im Kopf. Verstehst Du? Über Dein nassgraues Rechenzentrum zwischen den Koteletten. Sei doch froh“, schnauft das Alpaka, „Du hast endlich den Beweis dafür, dass es existiert.“

Ich bin nicht erfreut, dass wir diesen Weg nehmen und das sage ich auch.

Und das Alpaka lacht plötzlich und ohne jede Scham.

„Ich weiß nicht mal wohin wir reiten, Bro. Aber ich weiß, dass ich es nicht weiß. Und trotzdem reite ich hier lang. Denke dran, dass man in der Fantasie nicht sterben kann und vielleicht macht sie uns auch unsterblich.“

„Wenn ich meine Fantasie benutze, bin ich alles und manchmal danach wieder nichts.“, erwidere ich und bemerke währenddessen, dass ich die Worte des Alpakas verstehe.

„Hm“, sage ich. „Ich kann alles tun und dieses Gefühl ist göttlich.“

„Na klar. Und jetzt: Vergiss die Millionen Wege Deiner Fantasie! Denke an dieses Gefühl! Und dann fühle es, wenn es da ist. Mache Dir klar, dass es ein scheues Wesen ist. Checke nur diese eine Sache: Wie Du das Wesen zu Dir lockst, ehe es Dich irgendwann plötzlich aufsuchen muss.“

Ich bin geflasht. „So, wie das Monster aus dem Hörspiel?“ Ich schließe aus einem Reflex heraus die Augen und sehe was, was ich nicht sah, kurz vorher noch.

Der Nebel ist nun in mir. Er schwebt vor meinem inneren Auge, als sei ich in eine Maschine geraten, die Zuckerwatte macht. Der Nebel verwandelt sich in einen blassen Typen mit Kinnbart und Brille – an einer alten, furchtbar lauten Tastatur seines PCs tippend. Ich bin in diesem Moment das Produkt seiner Fantasie. Er weiß es. Er schreibt an diesem sonnigen Vormittag seit 8 Minuten an diesem Text. Er versucht zu verdrängen, dass er heute schon zwei Krisennotrufe von besorgten Mamas aus seinen Familienhilfen hatte, obwohl er heute frei hat. Dass er selbst etwas hysterischer ist, als er es von sich gewohnt ist und, dass er eigentlich vorhin Staub wischen, statt schreiben wollte.

Und jetzt: Jetzt ist er hier bei sich und ich … auch.

Das Alpaka stoppt.

„Tolle Erkenntnis“, schnuffert es kühl.

Ich öffne die Augen und sehe vor uns nun einen gewaltigen Abgrund.

„Boh, Alpaka! Vorsicht, ein Abgrund!“

„Ich weiß, Mann!“, gruffelt es. „Er hat uns wohl die ganze Zeit beobachtet.“

 …

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