Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder schreiben kann. Das Schreiben ist eine Tätigkeit, die der Mensch lediglich verlernt hat. Für meine Begriffe beschäftigen sich heute viel zu wenige damit. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das Buch fester Bestandteil der Abendgestaltung und des Zeitvertreibs war. Man schrieb Briefe, führte Tagebücher und zückte im Supermarkt weder Handy noch Organizer, sondern einen beschriebenen Zettel.
Durch das Lesen formt sich auch der eigene Zugang zum Schreiben. Kein Mensch ist einfach morgens aufgestanden und hat ganze Bücher geschrieben. Erst einmal war da Input, vielleicht sogar ein bisschen Theorie, Analyse, Gedanken. Dann hat man sich selbst daran gemacht, den Stift zu schwingen und hat geübt, geübt und geübt. Genauso wie ein Musiker sein Instrument zuerst erlernen, ein Maler ein paar Grundlagen über Farben und Pinselstriche kennen und der Gärtner Informationen über seine Pflanzen sammeln muss, genauso muss sich auch der Autor die Zeit geben, sich mit seinem Handwerk vertraut zu machen.
Jedoch gebe ich zu, dass der Sprung heutzutage größer erscheint als er vielleicht schon einmal gewesen ist. Wieso also seine Freizeit damit verbringen, sich einer selbst erdachten Geschichte zu widmen, wenn man genauso gut Storys in Hülle und Fülle über alle möglichen Kanäle vierundzwanzig Stunden am Tag konsumieren kann?
„Nichts ist nicht schon einmal geschrieben worden, es gibt nichts, das es noch nicht gibt.“ Diesen Satz hat bestimmt jeder schon einmal gehört. Jedoch sehe ich das anders: Eigene Gedanken, denen Ausdruck verliehen wird, die gibt es so noch nicht. Vielleicht gibt es keine originelle Idee, der Text jedoch ist einzigartig, denn er ist aus einem eigenständigen Geist herausgeschrieben und individuell erzählt. Durch die Augen ganz eigener Erfahrung und Wissen. Diesen Text gibt es so noch nicht. Der Satz oben hingegen ist stets derselbe.
Ich befürchte, dass sich die wenigsten Autoren, darüber im Klaren sind, dass sie ab dem Augenblick einzigartig sind, ab dem sie einfach schreiben. Das Streben nach großem Erfolg, nach dem Herausstechen aus der Masse, drückt doch eher die Stimmung anstatt sie darüber zu erheben, dass die Tätigkeit des Schreibens an und für sich niemand genauso anstellt, wie ich das mache. Dass niemand ein und dieselben Bücher in exakt derselben Reihenfolge gelesen hat wie ich. Dass niemand das Schreiben in denselben Etappen geübt hat wie ich.
Es sollte immer lohnen, sich einer Sache anzunähern, sie zu erlernen, sie nach eigenem Gefühl zu perfektionieren. Besonders das Schreiben, welches Individualität in vollem Ausmaß zulässt und im Grunde als bunte Ausdrucksform fungiert, sollte doch jedem zugänglich sein. Denn ist es nicht oft einfach der Ausdruck, der heutzutage fehlt, das „Ventil“, sich auch mal selbst erklären zu können und verstanden zu werden?
Das Schreiben ist einzigartig, nicht durch den Stift und auch nicht durch das Papier, sondern durch den, der sich beider bedient, um seine persönlichen Gedanken und Beobachtungen aufzuschreiben.
Eure Saigel
Vermutlich sind sich wirklich die wenigsten Autoren darüber im Klaren,
dass sie tatsächlich einzigartig sind, weil eben jeder Mensch einzigartig
ist und somit auch die Art und Weise wie er/sie schreibt einzigartig ist.
Ich finde, das ist ein Beitrag der Mut macht. Eine Sichtweise aus
einer anderen Perspektive.