Oben ist unten – von Saigel

Der Himmel schimmerte golden im warmen Sonnenlicht, verteilte sich ausladend um mich herum, ließ mich verschwinden, schwang sich um meine Finger, um meine Hand und meinen Körper, der bis zur Hälfte ganz und gar darin eingetaucht, verschwunden war und unter dicken vergoldeten Wolken versteckt für das Auge unsichtbar blieb.

Berührte ich ihn, den Himmel, die allumfassende Unendlichkeit, so verschwamm er wie ein nasses Gemälde, das sich noch nicht gänzlich als Meisterwerk präsentierte, da die Farbe auf der Leinwand erst trocknen musste. Wartend auf das wertvolle Siegel, das einzig durch das Licht und die Wärme verliehen werden konnte, die sich in tausend Strahlen brachen um wieder neu zu entstehen, sich über seine bunten Bahnen zu rollen, so schnell, so eilig, als könnten sie lediglich einen winzig kleinen Augenblick mit uns teilen, bevor sie sich nach getaner Arbeit wieder in andere, ungekannte Sphären verabschieden mochten.

Lachend legte ich meinen Kopf in den Himmel, ließ die Arme und Hände darin verschwinden, flog davon, flog weit weg, so schnell wie das Licht um mich herum. Für einen Moment umfing mich das kühle Nass, schloss mich ein, trug mich fort in andere Realitäten, die nur mir gehörten und mich mitnehmen, auf dem Rücken der goldenen Sonnenstrahlen dahinreiten, mich Welten und Gedanken auf eigene Weise erkunden lassen. Neben mir flatterte ein Vogel, zog an mir vorüber, verschwand irgendwo am anderen Ufer, vergönnte mir meine Einsamkeit, meine Ruhe, meine Zufriedenheit in dem weiten Gemälde des Himmels, das dort unten so vergänglich, so wandelbar weder jemals trocknet noch den Blick auf einen kurzen Moment bis in alle Ewigkeit ermöglicht, sondern stets ein anderes Bild und den nächsten Augenblick widerspiegelt, der dann alsbald in der Gegenwart verschwimmt.

So fühlt sich das wohl an, denn ist der Unterschied nicht verschwindend gering, ist es nicht gar schiere menschliche Anmaßung und Weltenbildmalerei, das Fliegen so stark von dem Restlichen abzutrennen, das Fliegen zu einer Fantasie zu machen, die es nicht gibt, die nicht erfahren, nicht begangen werden kann?

Die Brise peitschte mir um die Nase, ließ sie kalt werden. Ich fühlte mich leicht, beinahe schwerelos, zog dahin wie ein Blatt im Wind, das fliegt oder schwebt oder fällt; eisige Gischt trieb Tropfen auf meine Haut, ließ sie erschauern, lebendig werden, die Elemente um mich herum spüren. Das Licht von oben trocknete mich, verschaffte mir im Gegenzug wohlige Wärme, bevor es wieder von dannen zog, während ich weiter dahinglitt, mich treiben ließ, vom Wasser, vom Wind, von den Wolken um mich herum.

Hier an diesem Punkt spürte ich weder oben noch unten, weder Leichtigkeit noch Schwere; ich sah weder Wasser noch Himmel; der Fisch an meinen Füßen konnte eben so gut ein Vogel,
die Wellen Lichtstrahlen,
die Gischt Regentropfen sein …
und die Brise, ja, die Brise, die ist dieselbe, ob hier oder dort.

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