Psychose #diverserdonnerstag

Es gibt nicht die Psychose, das macht bereits der entsprechende Wikipedia-Artikel klar. Psychosen können bei einer Vielzahl von Erkrankungen auftreten, darunter bei der bipolaren Störung. Wie ich während einer Psychose auf Außenstehende wirke, ist mir erst dadurch klar geworden, dass ich einmal währenddessen Fotos und Videos gemacht habe.

Persönliche Erfahrungen

Meine erste (diagnostizierte) Psychose entwickelte ich, nachdem ich bereits ein halbes Jahr unbehandelt manisch und bereits wahnhaft herumlief. Im Büro war ich schon darauf angesprochen, dass ich aber sehr überengagiert sei – tatsächlich traute ich mir da schon selber nicht mehr über den Weg, machte Fehler, die ich sonst nicht gemacht hätte, weil ich mich kaum noch auf etwas konzentrieren konnte. Irgendwann lief ich immer häufiger durch die Gegend, weil ich nicht mehr stillsitzen konnte, was natürlich nicht unbemerkt blieb.

Aus einem Impuls heraus war ich der Einladung einer Bekannten gefolgt und hatte an einem Schamanischen Heilkreis teilgenommen. Unter normalen Umständen wäre das für mich ein absolutes No-Go gewesen. Aber ich kann euch beruhigen: Das war nicht viel anders als Musiktherapie mit Kuchenessen. Lange Zeit hielt ich das für das auslösende Moment der folgenden Ereignisse; inzwischen denke ich, dass mich dieses Erlebnis noch am ehesten in die Realität zurückgeholt hat, weil ich nämlich dadurch darüber nachdachte, was denn real ist und was nicht, weil ich verstehen wollte, was geschehen war.

Nachts allein am Bahnhof halluzinierte ich

Nun hatte mich die Bekannte wohl oder übel am Kölner Hauptbahnhof abgesetzt, weil ich nach zwei oder drei durchwachten Nächten nicht mehr in der Lage war, ihr die Adresse meiner Wohnung mitzuteilen. Ebensowenig war ich in der Lage, in den richtigen Zug zu steigen, der mich nach Hause brachte. Dazu war mein Denken schon zu zerfahren. Ich lief rein ins Bahnhofsgebäude mit der Absicht, auf den Abfahrtsplan zu sehen, kam auf dem Weg dahin auf andere Gedanken und lief wieder raus.

Irgendwann fing ich an, zu halluzinieren.
Ich kann heute noch nicht sagen, was real war und was nicht. Die tanzenden Paare mitten in der Nacht mit der dazu passenden Musik aber mit Sicherheit nicht. Die Nazis dagegen schon. Ich bekam nämlich ohne eigenes Verschulden eine blutige Nase, weil ich eine gewisse Person „doof“ finde. Und das ist noch gelinde gesagt.

Die Polizei dein Freund und Helfer

So saß ich dann irgendwann heulend und verzweifelt auf einem Blumenkübel, wo mich jemand in Weiß ansprach, ob ich Hilfe bräuchte. Trotzdem ich verneinte, war bald die Polizei da. Weil ich ihnen auf die Frage nach meiner Adresse antwortete, das versuchte ich auch gerade herauszufinden, nahmen sie mich sicherheitshalber mit auf die Wache.

Dort sollte ich mich an die Wand stellen, um durchsucht zu werden, brach aber mehrmals kichernd zusammen, weil ich jede Berührung als ungeheuer kitzelnd empfand. An der weißen Wand sah ich dort, wo ich die Hände platzieren sollte, farbige Kreise (wie bei diesem Spiel, bei dem man sich verrenken muss). Die waren da sicher auch nicht, denn sie veränderten sich bei jeder Bewegung.

Die ersten Jahre gab ich den Beamten die Schuld für meine „Psychiatriekarriere“, heute bin ich dankbar, dass sie mich ins Krankenhaus bringen ließen.

„Die anderen können sie nicht sehen.“

Jemand wurde zu meiner Begleitung abgestellt und die Frau nahm wohl an, ich würde Leute sehen, die nicht da sind. In dem Moment war das gar nicht der Fall und ich fand das sehr seltsam von ihr, hatte aber trotzdem das Gefühl, sie meinte es gut mit mir, weil sie sehr sanft mit mir umging. Sie begleitete mich auch mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus.

Man versuchte, mich ins MRT zu bugsieren, man nahm mir Blut ab. Wieder Krankenwagen. In der Psychiatrie ging man zuerst davon aus, ich hätte Drogen genommen, und war ganz überrascht, dass die ermittelten Werte von Blut und später auch Urin das Gegenteil bewiesen.

Es dauerte drei Tage, bis ich wieder sprechen konnte. Ich war darüber selbst sehr verzweifelt, ich wollte ja sprechen, konnte es aber nicht. Erst, als dieses Phänomen das zweite Mal auftrat, wusste ich mir zu helfen und schrieb auf, was ich ausdrücken wollte.

Umgang mit der Psychose in Geschichten

Mark beruhigt in Der Genesungsbegleiter während seines Praktikums auf der Psychosestation einen aufgebrachten Patienten. Ich glorifiziere nicht das psychotische Erleben an sich, verteufele aber auch nicht die Betroffenen.

Ärgerlich finde ich, dass häufig Psychosen, aber auch andere psychische Krankheiten, als Hintergründe für Serienmörder herangezogen werden. So haftet dieses Stigma gewordene Klischee der Krankheit an und Betroffene wagen es nicht, sich zu outen.

Dabei sind (Massen)Mörder:innen oft gesunde Menschen. Dafür gibt es sehr prominente Beispiele.

Zuletzt:  Manie


Übrigens: Der Juli ist der Disability Pride Month.

Euer Ingo S. Anders

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