Pubertät – wenn die Eltern schwierig werden

So langsam komme ich mir echt vor wie ein Sklave. Andrea mach dies, Andrea mach das, so geht es den ganzen Tag. Und meine hochnäsigen Zwillingsschwestern müssen selbstverständlich geschont werden. Sie machen ja gerade Abitur, da muss man Rücksicht nehmen. Wie ich das hasse!
Nie nimmt man auf mich Rücksicht. Kaum habe ich eine Minute Musik an, brüllt schon jemand, dass ich leiser machen soll. Dabei hört sich Musik doch nur richtig gut an, wenn sie laut ist. Ich muss mir ja auch diese doofen Sonaten anhören, die Vater gerne auflegt, wenn wir Gäste zum Essen haben. Und niemanden kümmert es, ob ich von dem altmodischen Geklimper Magenkrämpfe bekomme.
Und wenn ich mir dann die Stöpsel ins Ohr mache, weil ich anders nicht richtig Musik hören kann, dann dauert es nur Minuten, bis jemand meine Zimmertüre aufreißt und mich anbrüllt, weil ich sein Rufen nicht gehört habe. Nie kann man es ihnen Recht machen. Am liebsten würde ich ausziehen in eine eigene Wohnung, aber dafür bin ich ja noch zu jung. So ein Quatsch! Ich bin mit meinen fast 15 Jahren genauso erwachsen wie die Zickenzwillinge.

Gestern, das war mal wieder so typisch. Ich war in der Gartenlaube und wollte ein wenig chillen. Schließlich hatte mich dieser doofe Privatlehrer wieder stundenlang mit Mathe gequält. Kaum lag ich gemütlich mit meinem Handy auf der Bank, holte der Gärtner den Aufsitzmäher aus dem Gerätehaus und begann zu mähen. Das Ding macht mehr Krach als ein Düsenjet. Ich flüchtete also in mein Zimmer. Gerade hatte ich es mir dort gemütlich gemacht, begann die Putzhilfe die Teppiche auf dem Gang zu saugen. Fluchend machte ich mir die Ohrenstöpsel rein. Kurz darauf kam sie einfach in mein Zimmer, maulte rum, dass ich sie nicht gehört hätte, und befahl mir, den Flur aufzuräumen. Da ich keine Lust auf Streit hatte, holte ich also meine Sachen und warf sie in meinem Zimmer auf den Boden. Dabei ist das Display von meinem Zweithandy kaputt gegangen. Diese doofe Putzhilfe, daran war doch nur sie schuld.

Letzte Woche hatte ich eine tolle Nacht. Das Schaf, das ich vor zwei Jahren mit der Flasche großgezogen hatte, war das erste Mal trächtig. Natürlich wollte ich mit dabei sein, wenn sie ihr Junges bekommt. Also hab ich dem Schäfer meine Handynummer gegeben und ihm gesagt, er solle mich anrufen, wenn es so weit ist. Ich weiß schon, dass er auch nicht andauernd nach meinem Schaf schauen kann. Doch ich hab ihm eine Flasche Wein zugesteckt, die ich aus Vaters heiligem Weinkeller geklaut habe. Der Schäfer hat mit großen Augen auf das Etikett geschaut und sich mehrmals für das edle Tröpfchen bedankt. Dabei hatte ich extra eine von den alten, vergammelten Flaschen von ganz hinten genommen.
Ich hoffte also, dass das mit dem Anruf klappen würde. Und tatsächlich klingelte mitten in der Nacht mein Handy. Ich zog mich warm an und schlich vorsichtig aus dem Haus.
Es war einfach wunderbar zuzusehen, wie die beiden Lämmchen geboren wurden. Nachdem das erste gekommen war, wurde das Mutterschaf richtig hektisch und leckte das Lämmchen kräftig ab, um es zum Stehen zu bringen. Erst verstand ich diese Hektik nicht. Doch kann, kaum stand das erste Lamm, kam das zweite. Was für eine Überraschung! Eins der Lämmchen ist weiß, das andere schwarz bis auf einen hellen Tupfen an der Schwanzspitze. Ich habe die beiden Salt und Pepper getauft.

Ich konnte mich von den süßen Lämmchen nur schwer trennen und so war es schon hell, als ich zurück ins Haus schlich. Kurz bevor ich in meinem Zimmer war, lief mir eine meiner Schwestern über den Weg. Die machte vielleicht riesige Augen, als sie mich blutverschmiert und mit Heu in den Haaren sah. Was sie sich wohl dabei gedacht hat? Ich weiß, dass mir alle nur Schlechtes zutrauen. Ich bin nun mal das schwarze Schaf in der Familie. Erst hatte ich ein bisschen Angst, dass sie mich verpetzen würde. Aber das traut sie sich nicht. Sie weiß genau, ich würde mich rächen. Ich könnte zum Beispiel beiläufig fallen lassen, dass sie mit ihrem Gesangslehrer rumgemacht hat.

Allerdings gab es dann doch noch einen Riesenkrawall wegen der verschwundenen Flasche Wein. Papa hat fast geheult. Ich glaube, wäre ich verschwunden, hätte es ihm weniger ausgemacht. Ich kann das nicht verstehen, so eine Flasche Wein kostet doch nur ein paar Euro. Wie kann man sich da nur so anstellen, wenn mal eine fehlt. Der ganze Keller ist voll davon. Ich frage mich sowieso, wie er es so schnell gemerkt hat. Immerhin hat mich ausnahmsweise mal niemand verdächtigt. Wo ich doch sonst immer alles gewesen bin.

Gleich ist meine spärliche Freizeit auch schon wieder vorbei. Dann muss ich mit Mama in die Stadt fahren zum Einkaufen. Ich soll ein Kleid bekommen für den Abi-Ball der Zickenzwillinge. Dabei will ich da gar nicht hin. Weder in die Stadt, noch auf den Ball. Doch mich fragt ja nie jemand, über mich wird immer bestimmt. Gegen ein neues Kleid hätte ich nichts einzuwenden, aber es müsste schon schwarz sein und lang bis zu den Knöcheln und mit durchsichtiger Spitze im Ausschnitt und mit Trompetenärmeln. Mama hat da aber ganz andere Vorstellungen als ich. Kotz!

Manchmal denke ich, ich bin als Säugling im Krankenhaus vertauscht worden. Ich passe überhaupt nicht in diese Familie. Und wenn ich mir vorstelle, ich könnte irgendwann so wie Mama werden? Allein der Gedanke lässt mich schaudern. Nein, da bringe ich mich lieber vorher um. Am besten mit 27 Jahren. Dann habe ich vorher noch genug Zeit berühmt zu werden. Es gibt viele Künstler, die mit 27 Jahren gestorben sind. Und danach ist das Leben ja sowieso vorbei. Dann geht es nur noch abwärts.

So, mein liebes Tagebuch, ich muss aufhören. Mama ruft. Bis bald!

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