Korrekturen 17

17. Teil – High Noon (2/3)

»Dann können wir Sie beruhigen«, sagte Khendrah. »Denn wir stehen auf derselben Seite. Wir müssen die Sicherheit von Manning-Rhoda gewährleisten und müssen wirklich dringend in dieses Kongresszentrum. Ich will offen zu Ihnen sein: Wir haben Informationen, die der Parteichef unbedingt erhalten muss, wenn er die Wahlen noch erleben will.«
Thomas sah Khendrah entgeistert an. Wie konnte sie diesem Mann gegenüber offen solche Aussagen machen? Doch sie hatte ihren Piloten offenbar richtig eingeschätzt.
»Wenn das so ist, werde ich jetzt mal richtig Dampf machen«, teilte er mit und schob den Steuerknüppel nach vorn. Das Taxi machte einen regelrechten Satz und flog mit beachtlicher Geschwindigkeit weiter. In der Ferne tauchten einige Hochhäuser auf. Eines davon überragte alle anderen und an seiner Spitze befand sich eine auf den Kopf gestellte Pyramide.
»Das ist ja eine interessante Konstruktion«, sagte Thomas. »Können Sie mir sagen, was das für ein Gebäude ist?«
Der Pilot schüttelte den Kopf. »Sie können wirklich nicht von hier stammen. Das ist das Gebäude der PEV. Dieser Thoben muss ja unbedingt immer protzen. Man sollte diesem Gebäude nicht zu nahe kommen, ohne eine Einfluggenehmigung. Es sind schon Flugmaschinen abgeschossen worden und es kam nicht einmal zu einer Gerichtsverhandlung.«
Er deutete nach vorn, wo ein flacher, breiter Gebäudekomplex auftauchte.
»Dort ist unser Ziel«, sagte er. »Ich werde Sie so nah ans Gebäude heranbringen, wie man es zulässt. Richten Sie sich darauf ein, schnell aussteigen zu müssen. Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Glück beim Schutz unseres Kandidaten für die Wahlen.«
Die letzten Kilometer flogen sie schweigend. Der Pilot war geschickt und passierte alle Sperren, die man errichtet hatte, um unbekannte, anfliegende Objekte aufzuhalten.
Khendrah war nicht eben begeistert darüber, denn, wenn es ihnen gelang, unkontrolliert auf das Gelände zu gelangen, würde es einer gut ausgerüsteten Gruppe von Attentätern erst recht gelingen. Als sie gelandet waren, dankten sie dem Piloten noch einmal, sprangen aus der Maschine und liefen geduckt auf das Gebäude zu.
In einiger Entfernung sahen sie einige uniformierte Sicherheitskräfte, die sich ihnen schnell näherten.
»Bleiben Sie stehen!«, rief einer der Männer ihnen zu. »Sie haben hier nichts verloren!«
»Was jetzt?«, fragte Thomas.
»Was schon? Willst du etwa mit diesen Leuten dort darüber diskutieren, warum wir hier sind? Wir sollten machen, dass wir ins Gebäude kommen, bevor sie uns erreichen.«
Sie beschleunigten ihren Lauf und rannten, so schnell sie konnten, zu einer nahe liegenden Stahltür, durch die sie ins Gebäude zu gelangen hofften. Khendrah zog ihre Waffe aus der Kombination und fingerte daran herum. Sie hatten Glück: Die Tür ließ sich öffnen. Schnell schlüpften sie hinein und warfen sich von innen schwer dagegen, um sie zu schließen, denn ihre Verfolger waren ihnen dicht auf den Fersen.
»Schnell, geh ein Stück beiseite!«, rief Khendrah und feuerte mit ihrer Waffe mehrfach auf Kanten der Metalltür, die an diesen Stellen sofort mit dem Rahmen verschmolz. Es stank stark nach verbrannter Farbe und Ozon.
»So, jetzt haben wir eine kleine Verschnaufpause«, sagte Khendrah. »Durch diese Tür werden sie uns nicht mehr folgen können.«
In diesem Moment schrillte ein Alarm los. Erschreckt blickten sie sich um.
Thomas deutete auf einen kleinen Kasten unter der Decke. »Wenn das dort ein Rauchmelder ist, wie ich ihn kenne, haben wir den Alarm selbst ausgelöst und man weiß genau, wo wir uns befinden.«
»Verdammt, du hast recht!«, fluchte Khendrah. »Also keine Verschnaufpause. Wir müssen im Gebäude untertauchen.«
»Untertauchen allein ist es ja wohl nicht, oder?«, fragte Thomas. »Wir müssen in die unmittelbare Nähe von Gunter, damit wir ihn schützen können.«
Er öffnete eine weitere Tür, die tiefer ins Gebäude hinein führte und sie befanden sich in einem langen Gang, von dem in Abständen weitere Gänge abzweigten. Sie folgten dem Hauptgang, weil sie vermuteten, dass er sie in die Nähe der Kongressräumlichkeiten führen würde. Bisher war ihnen noch niemand begegnet, doch das konnte sich jederzeit ändern, denn der Alarm war noch immer nicht abgestellt worden. Jeden Augenblick rechneten sie damit, dass Jemand erscheinen würde, um nach dem Rechten zu sehen. Endlich erreichten sie ein Treppenhaus, an dessen Wand eine schematische Zeichnung des gesamten Stockwerks zu sehen war. Sie waren auf dem richtigen Weg, doch befanden sie sich offenbar in einem falschen Stockwerk. Der Personenaufzug neben dem Treppenhaus setzte sich in Bewegung.
»Schnell, die Treppe!«, rief Thomas. »ich habe nicht vor, ausgerechnet hier jemandem zu begegnen. Ich würde mich wohler fühlen, wenn wir in Bereichen untertauchen könnten, wo viele Menschen herumlaufen.«
»Gut, dann los!«, sagte Khendrah und sprintete los, dass Thomas Mühe hatte, ihr zu folgen. Sie erreichten gerade rechtzeitig die nächste Etage, bevor sich die Aufzugtür unter ihnen öffnete und zwei Männer heraustraten. Sie verhielten sich ruhig, bis die Schritte der Männer in der Ferne verschwanden. Ihren Gesprächen zu Folge, sollten sie den Grund des Alarms überprüfen und waren offenbar reichlich genervt, weil sie bereits mehrfach vergebens zu diversen Kontrollen geschickt worden waren.
Khendrah studierte den Grundrissplan im oberen Stockwerk und erkannte, dass sie hier richtig waren.
»Sieh hier«, sagte sie und deutete auf den Plan. »Wenn wir diesen Gang nehmen, gelangen wir zu den Kongressbereichen. Dann gilt es nur noch, die privaten Räumlichkeiten von Gunter zu finden.«
»Wir haben aber auch nur noch knapp eine Stunde Zeit, bis das Attentat verübt werden soll«, wandte Thomas ein. »Es wird allmählich eng für uns.«
»Ab jetzt stellen wir unsere Waffen auf Betäubung«, entschied Khendrah. »Kein Risiko. Wer sich uns ab jetzt in den Weg stellt, wird betäubt.«
Sie kontrollierten die Einstellungen ihrer Waffen und nahmen sie fest in die Hand. Dann machten sie sich auf den Weg. Je näher sie der großen Haupthalle kamen, um so stärker vernahmen sie die Geräusche der vielen geladenen Gäste, die dort redeten, diskutierten und diverse Getränke oder Speisen zu sich nahmen.
»Gleich müssen wir uns unter das Volk mischen«, sagte Thomas. »Ich glaube nicht, dass uns das in diesem Aufzug hier gelingen wird, ohne dass wir auffallen.«
Khendrah sah ihn abschätzend an und nickte. »Du hast recht, wir müssen uns etwas einfallen lassen.«
»Hast du eine Idee?«
»Vielleicht«, meinte Khendrah mit einem schiefen Lächeln. »Warte einen Augenblick hier und halte dich bereit. Ich besorge uns was.«
Bevor Thomas noch fragen konnte, war Khendrah durch die nächste Tür in der Haupthalle verschwunden, doch wenige Augenblicke später kehrte sie bereits zurück und rannte ein paar Meter in den Gang hinein.
»Du musst jetzt gleich schnell schießen«, rief sie, als die Tür zum Gang heftig aufgestoßen wurde und mehrere Sicherheitsbeamte hinter Khendrah durch die Tür stürmten.
»Bleiben Sie sofort stehen!«, rief einer der Beamten. »Ich muss sonst von meiner Waffe Gebrauch machen!«
Khendrah blieb stehen und drehte sich langsam um. Ihre Waffe hielt sie mit spitzen Fingern.
»Nicht schießen!«, sagte sie. »Ich ergebe mich!«
Thomas stand hinter den Sicherheitsbeamten. Sie hatten ihn nicht bemerkt, weil sie auf Khendrah fixiert waren. Er hob seine Betäubungswaffe und drückte ab, bis alle Sicherheitsleute bewusstlos waren. Das Ganze ging so schnell, dass sie nicht mehr in der Lage waren, zu reagieren.
»Eines muss man dir lassen«, sagte Khendrah anerkennend. »Du hast schnell gelernt. Man ist draußen in der Haupthalle recht sensibel. Ich habe mich kaum dort sehen lassen, als sie bereits hinter mit her stürmten.«
Thomas betrachtete die bewusstlosen Leute und fand, dass jemand dabei war, der ungefähr seine Statur besaß.
»Die Sachen von diesem hier sollten mir passen. Dort vorn ist auch eine Frau.«
»Leider ist sie etwas dicker, als ich«, monierte Khendrah. »Die Uniform wird an mir aussehen wie ein Sack.«
»Übertreib nicht! Für das, was wir vorhaben, wird es schon reichen.«
Sie schafften die Bewusstlosen in eine Besenkammer und zogen zwei der Leute ihre Uniform aus, die sie über ihre eigenen Kombinationen zogen. Nach einigem Zupfen sahen sie im Grunde glaubwürdig nach Sicherheitsbeamten aus. Sie hefteten sich die Sicherheitsausweise an die Brust und traten in die Haupthalle hinaus. Nun wurden sie nicht weiter beachtet und konnten sich ungestört durch die Menge bewegen. Ihr Ziel war der große Plan des Gebäudes, der an den Laufbändern angebracht war, über die alle Gäste zu den jeweiligen Kongressbereichen gelangen konnten.
Selbst, als sie vor dem Plan standen und ihn eingehend studierten, achtete niemand auf zwei Sicherheitsbeamte, die sich intensiv um einen Überblick bemühten.
»Ich hab’s«, sagte Thomas und deutete auf eine bestimmte Stelle des Plans. »Dort steht ‚Privatlounge‘. Dort muss es sein.«
Khendrah reagierte sofort: »Dann los, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Sie stürmten das Laufband entlang und stießen einige Menschen beiseite, die ihnen ärgerlich hinterher schimpften. Nach kurzer Zeit gelangten sie in einen ruhigeren Teil des Gebäudes. Es gab hier mehr Sicherheitsleute als unten in der Halle, doch niemand behelligte sie. Niemand kam auf die Idee, dass sie keine normalen Sicherheitskräfte waren.
Khendrah fand schließlich die Räumlichkeiten von Gunter.
»Er muss dort drin sein.«
»Worauf warten wir dann noch ?«
Er prüfte noch einmal seine Waffen, dann versuchte er, die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Sie klopften. Sie klopften noch ein zweites Mal. Dann wurde die Tür geöffnet und ein Mann blickte unfreundlich zu ihnen nach draußen.
»Ja? Was wollen Sie?«, fragte er. »Der Parteivorsitzende will jetzt nicht gestört werden.«
»Wir müssen ihn aber unbedingt sprechen«, sagte Khendrah. »Es dauert auch nicht lange.«
Der Mann sah sie skeptisch an. Man konnte sehen, dass er nicht bereit war, sie zu Gunter vorzulassen.
»Sie gehören doch zu den Sicherheitsleuten des öffentlichen Bereichs, wie ich Ihren Ausweisen entnehme. Was haben Sie überhaupt hier bei der Privatlounge zu suchen?«
Die Miene des Mannes wurde noch abweisender.
»Das werden wir Herrn Manning-Rhoda gern persönlich erklären«, sagte Thomas.
Der Mann lächelte maskenhaft.
»Ich werde Sie ganz bestimmt nicht zu ihm vorlassen. Ich werde – ganz im Gegenteil – in der Zentrale nachfragen, wer Sie geschickt hat.«
»Oh, das werden Sie nicht tun«, meinte Khendrah und betäubte ihn mit ihrer Waffe. Thomas fing den schlaffen Körper auf und ließ ihn neben der Tür zu Boden gleiten. Khendrah stieß die Tür auf und sicherte Thomas mit ihrer Waffe. Ein weiterer Mann sprang auf, war aber bereits betäubt, bevor er ganz auf den Beinen war und fiel gleich wieder zurück in seinen Sessel.
Thomas drückte die Tür zu und verschloss sie.
Ein Mann stand hinter einem riesigen Schreibtisch und starrte sie an.
»Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?«, fragte er mit fester Stimme.
Es war ihm nicht anzumerken, ob er durch ihre Anwesenheit und die Art, wie sie erschienen waren, beeindruckt war.
»Sie sind Gunter Manning-Rhoda, der Parteivorsitzende der SLB, nicht wahr?«, fragte Khendrah. »Ach ja, machen Sie sich keine Gedanken um Ihre Mitarbeiter. Ihnen ist nichts geschehen. Wir haben sie nur für einige Zeit betäubt.«
»Ich bin Manning-Rhoda, aber wer sind Sie? Ich halte hier einen kleinen Kommunikator in der Hand. Ein Fingerdruck von mir und es wird hier vor Sicherheitsleuten nur so wimmeln. Also was wollen Sie? Reden Sie schnell – mein Finger ist sehr nervös.«
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, Herr Manning-Rhoda«, sagte Khendrah. »wir sind die Guten. Sie haben mächtige Feinde, wissen Sie das?«
Gunter lachte freudlos.

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