Saigels Irr(e)lichter – Schreiben und Reflexion

Was geschieht beim Schreiben? Mit dieser komplexen Frage beschäftige ich mich gerade immer öfter. Ich glaube, die Analyse sollte für jeden Autor anders ausfallen. Zu viele Unterschiede, Geschmäcker, Meinungen.
Allerdings, so denke ich, gibt es eine Sache, die uns alle verbindet. Die Selbstreflexion. Wie kann ich über ein Thema schreiben, über das ich nicht genügend nachgedacht habe? Das ich nicht bis auf die Grundmauern erforscht, meine eigene Stellung dazu geprüft und dann den Gedanken geformt habe, den ich vermitteln möchte?
Ich glaube, die Selbstreflexion steht noch über der Recherche. Es gibt Dinge, die recherchiere ich nicht. Es kann möglich sein, dass ich sie deshalb falsch wiedergebe. Aber die Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe, in meiner Wahrheit, meiner Welt, die sind stets geschehen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es deshalb so ist, dass ich zuerst mich selbst reflektieren muss, bevor ich schreiben kann, weil ich sonst keine Worte dafür finden würde.
Was mir fern liegt, was ich nicht für mich durchdringen kann, sei das Ergebnis meiner Reflexion nun falsch oder wahr, über das kann ich womöglich auch nicht schreiben. Dabei geht es nicht um die offensichtliche Ebene, denn auf dieser kann vermutlich jeder alles schreiben. Es geht um das Abstrakte, das Gedankliche dahinter, das, was der Leser nachvollziehen soll, wenn er meine Worte liest.
Schreibe ich folglich eine Geschichte oder einen Beitrag, beschäftige ich mich grundsätzlich ersteinmal automatisch mit mir selbst. Wie stehe ich wozu? Wie verstehe ich das, worüber ich schreiben möchte? Wie bringe ich dem Leser meine Realität näher? Meine Gedanken? Oder sogar: Wie bringe ich dem Leser die Worte eines anderen, einer dritten Person, oder eines Forschungsergebnisses näher, an dem ich vollkommen unbeteiligt war? Welche Worte finde ich für das, was ich sagen will, auch wenn es nicht einmal meine eigenen Gedanken sind, die sprechen?
Daraus schlussfolgere ich, dass der Autor, der sich selbst gut kennt, gut mit seinen Worten umgehen kann. Oft läuft das ja tatsächlich komplett unterbewusst ab. Ein Satz wird einfach schnell so hingekritzelt, der letztendlich so hohe Wellen schlägt, dass man erst im Nachhinein begreift, was man da geschrieben hat. Welche Macht diese Wörter haben, die in dem Moment der Produktion verschwindend klein erschienen. Beinahe unbedeutend.
Bedeutung bekommen also die Worte erst auch dann, wenn sie verstanden werden. Eine Wechselwirkung vollzieht sich, auch wenn es lediglich der Autor selbst ist, der zu seinem eigenen Leser wird, nach vielen, vielen Jahren ein vergrabenes Manuskript wieder herausholt und plötzlich etwas darin liest, was zwar schon immer dagewesen, ihm jetzt aber erst durch das Auge in den Verstand springt.

Eure Saigel

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