Wir sind wie das sturmgepeitschte Meer

Ein Liebesbrief von Pia Pandämonium

An dich, liebe mir vertraute Unbekannte; ich suche dich schon mein ganzes Leben lang. 

Ich kenne weder deinen Namen noch dein Gesicht; doch das sind sowieso nur Nebensächlichkeiten, wie ich finde … das,was zählt, trägst du ganz tief in dir.
Dieses wunderbare, unfassbare Etwas, das der Mensch als Seele eingegrenzt hat, werde ich sofort erkennen, wenn ich in den aufgewühlten Ozean deiner Augen blicke. 
Kurz zu etwas Profanerem: Bitte verzeih mir meine Schlampigkeit – sie ist ortsbedingt,
denn ich bin am Strand: Das Papier, auf dem ich schreibe, knittert im rauen Wind; es hat außerdem gerade angefangen zu regnen. Dicke einzelne Tropfen fallen vom sturm grauen Himmel, verwischen manches Wort. Ich sitze an den einen Leuchtturm gelehnt, der am nördlichsten Punkt Dänemarks steht, und kritzele vor mich hin. Es ist kalt und meine Finger werden taub, aber ich liebe es.
Manch einer würde meinen, es gäbe schönere Tage, um herzukommen. Tage, an denen der Himmel klar und blau ist und die Sonne blendet. Doch du wirst mir sicher zustimmen: wir sind nicht der Typ für solch ein langweiliges Wetter … wir sind die hohen, dunklen Wellen, und der wütende Himmel, der nasse, kalte Sand und der Wind, der einem den Atem nimmt. 
Ich war noch nie gut darin, meine Gefühle in Worte zu fassen, aber ich nehme an, es von Zeit zu Zeit zu versuchen, ohne sich zu verbiegen, ist nicht ungesund.
Also, hier ist mein Versuch:
Wenn ich an dich denke, sehe ich das Meer und den Strand vor mir, wie er jetzt ist.
Ich stelle mir komischerweise vor, mit dir zu streiten, hier an diesem Ort, wo wir uns gegenseitig anbrüllen können, ohne auf Nachbarn Rücksicht nehmen zu müssen – denn in gesunden Beziehungen spricht man das aus, was einen stört. Danach haben wir in meiner Vorstellung wilden Versöhnungssex, in den windgeschützten Dünen verborgen.
Die Sehnsucht nach dir verzehrt mein Innerstes; sie ist wie ein gefräßiges Feuer, das nur dein Wasser löschen kann.Nur beim Gedanken an dich bin ich schwach, sonst bin ich echt ein harter Hund.Ich fahre Motorrad, um mich frei zu fühlen, doch langsam dämmert mir, dass nur du mich befreien kannst. 
Bitte lass mich nicht noch länger warten; dies ist ein Leben, das nicht wirklich zählt; ich entbehre zu viel, ich entbehre dich, meine bessere Hälfte.
Und da es in keiner Partnerbörse je geklappt hat, versuche ich es nun auf diesem Wege:
Ich werde gleich das Stück Papierzusammenrollen und es in den Bauch der leeren, gesäuberten Flasche meines Lieblingsweines gleiten lassen. Dann verschließe ich das Gefäß mit dem Korken und stakse gegen den Wind gelehnt zum nahen Wasser. Ich werde der Flasche einen letzten stoppeligen Kuss aufdrücken und sie so weit wie möglich in die sturmgepeitschte See werfen.
Ich werde ihr eine gute Reise zu dir wünschen und mich dann voller Zuversicht abwenden und nach Hause fahren.

Hoffnungsvoll,

Rudi Mortensen
Mosevej 4
3700 Danmark


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