Ida und ihre Bücher

Seit ich mich erinnern kann, bin ich vom Lesevirus befallen. Alle Bücher, derer ich als Kind oder Jugendliche habhaft werden konnte, habe ich verschlungen. Aus der Bibliothek, von Bekannten und Verwandten wurde ich mit Büchern versorgt, die ich dann bis tief in die Nacht gelesen habe, um dann mit müden Augen, aber einer neuen Geschichte im Kopf zur Schule zu fahren.
Meine Eltern haben so einiges unternommen, um meiner Lesewut beizukommen. Doch nichts konnte mich bremsen.
Mein Vater sagt immer, wenn ich lese, könnte der Stuhl auf dem ich sitze, abbrennen, ich würde es nicht merken. (Recht hat er.)
Die Tür zu meinem Kinderzimmer war die einzige Glastür in meinem Elternhaus, wenn ich ins Bett musste, wurden die Birnen aus meinen Lampen gedreht und wenn andere Kinder Hausarrest bekamen, musste ich vor die Haustür.
Doch was auch immer sich meine Eltern haben einfallen lassen, ich habe immer eine Möglichkeit zum Lesen gefunden. Mit der Taschenlampe unter der Bettdecke, oder indem ich Bücher an sicheren Orten außerhalb des Hauses deponierte, um sie dann versteckt irgendwo zu lesen. Was nicht selten eine Suchaktion nach mir auslöste, weil ich beim Lesen Raum und Zeit vergaß.
Wie das Lesen gehört das Erfinden von Geschichten zu meinem Leben, es war schon immer da und passiert unvermittelt und ganz spontan. Geschichten, die mir nicht gefallen, schreibe ich im Kopf einfach um oder ich spinne sie weiter. Aus winzigen Situationen, nebenher gesagten Sätzen entwickeln sich Geschichten, die meinen Kopf bevölkern.
Sie aufzuschreiben, dazu fehlte mir lange der Mut. Wie könnte ich mich erdreisten und für eine Schriftstellerin halten. Schriftsteller sind Genies, sie werden so geboren. Ein so unbedeutendes Wesen wie ich könnte niemals in solche Sphären aufsteigen. Davon auch nur zu träumen, wäre schon vermessen.
Natürlich ist das großer Quatsch, aber sich von Vorurteilen und alten Rollenbildern zu befreien, ist nicht immer einfach.
Vor etwa drei Jahren wurde mir auf eindringliche Weise vermittelt, dass mein Leben endlich ist. Und dass meine Kopfgeschichten mit mir die Welt verlassen werden, wenn ich sie nicht hinauslasse.
Das war ein guter Zeitpunkt, mein Leben zu verändern und auf das zu pfeifen, was andere sagen.
Seither versuche ich, Platz in meinem Kopf zu schaffen und meine Geschichten auf das Papier zu bannen. Glaubte ich zu Beginn noch, das Aufschreiben sei einfach und würde meinen Kopf befreien, wurde ich sehr bald eines Besseren belehrt.
Schreiben ist … schwer ist das falsche Wort dafür, aber einfach ist es auch nicht. Schreiben erfordert Ausdauer, Konzentration und Selbstdisziplin. Es ist eine Arbeit, manchmal eine, die ich vor mir herschiebe, manchmal eine, die ich kaum erwarten kann. Sie zwingt mich, mich mit Problemen auseinanderzusetzen, über die ich seit der Schulzeit meiner Kinder nicht mehr nachgedacht habe. Ich sag nur Kommasetzung und neue deutsche Rechtschreibung. Und wer denkt, so schwer kann das doch nun wirklich nicht sein, der erinnere sich bitte an seine Schulzeit und wie wir uns da abgemüht haben, einen anständigen Aufsatz abzuliefern. Und meinen Kopf bekomme ich auch nicht frei. Für jede aufgeschriebene Geschichte wachsen zwei neue nach. Geradeso, als hätte ich eine Kammer in mir geöffnet, die vor lauter Geschichten und Figuren überquillt.
Aber mein Anspruch an mich ist nicht nur, dass ich schreibe. Nein, die verwöhnte Vielleserin in mir möchte gut erzählte Geschichten lesen und dazu gehören auch meine eigenen Geschichten. Meine Meinung ist, dass man als Autor eine Verpflichtung seinen Figuren und seiner Geschichte gegenüber hat: sie in der bestmöglichen Form zu erzählen.
Deshalb habe ich mich, schon sehr bald nach meinem Entschluss zu schreiben, mit Schreibratgebern und Schreibkursen beschäftigt.
Schreiben ist ein Handwerk. Und wie ein Tischler oder ein Musiker Grundlagen seines Berufes lernen muss und bestimmte Handgriffe immer wieder wiederholt, bis er sie ohne nachzudenken ausführen kann, muss ich das Schreiben neu erlernen. Lernen, wie ich mit Worten spielen kann, wie sich mit Worten ein Bild malen lässt. Muss lernen, welche Macht die Worte über die Leser haben, wenn ich sie in der richtigen Reihenfolge aneinanderreihe.
Natürlich gibt es Virtuosen, die, ohne je eine Musikschule besucht zu haben, uns mit ihrer Musik verzaubern. Doch auch sie schaffen das nicht ohne tägliche Übungen, Experimente und den inneren Zwang, immer besser werden zu wollen, die Grenzen des Erreichbaren immer wieder auszuloten.
Und nun dieser Blog zusammen mit anderen „Schreibverrückten“- eine Möglichkeit, unsere zarten Pflänzchen in die graue Wirklichkeit zu entlassen, in der Hoffnung, dass sie hier überleben, wachsen und gedeihen.
Ich bin sehr gespannt, wohin uns dieses „Experiment“ führen und wer uns auf diesem Weg begleiten wird.
Hier werde ich nun die Gelegenheit nutzen, meine Geschichten außerhalb des schützenden Raumes eines Forums mit Euch zu teilen. Und hoffe sehr, sie werden Euch gefallen und Ihr lasst gelegentlich ein kleines Feedback zurück.

4 Replies to “Ida und ihre Bücher”

  1. Liebe Ida, Dein Debüt ist so herzallerliebst!
    Ich habe mich darin wiedergefunden, wie ich Dir auch im Chat schon sagte. Ich kenne das, raus zum Spielen auf die Straße zu müssen, habe ich als Bestrafung erlebt. Und natürlich habe ich nachts noch heimlich weitergelesen, auch wenn ich es nicht sollte.
    Ich kann mir aber vorstellen, dass es vielen Leseratten so geht…

    1. Vielen Dank, lieber Ingo. Ohne Dich würde der Beitrag nicht hier stehen, weil ich technisches Genie ihn wahrscheinlich in der Unendlichkeit des Universums geparkt hätte.

  2. Das mit dem Lesen immer und überall kommt mir wirklich sehr bekannt vor.
    So toll wie die Geschichte erzählt wurde , wäre es ein Verlust , wenn es nicht mehr so unterhaltsamen Lesestoff gäbe. Ich selbst könnte nicht so flüssig schreiben , konnte aber alles nachvollziehen . Danke dafür.
    .

    1. Vielen Dank liebe Christel für Ihren Kommentar. Ich hoffe wirklich sehr, dass es immer Bücher geben wird, die uns Raum und Zeit vergessen lassen und dass es genügend Menschen auf dieser Welt gibt, die sie dann verschlingen. Ich bin erst vor drei Tagen wieder auf ein solches Buch gestoßen und habe bis in Morgenstunden gelesen, weil ich einfach wissen musste, wie die Geschichte endet. Also man sieht, soetwas verwächst sich nicht 🙂

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